Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.3.1996
Götter, Gräber, Minenräumer
In Kambodscha holen sich die Archäologen die Tempel aus dem
Dschungel zurück / Von Hans-Dieter Kley
I have survived in Cambodia" - „Ich habe in Kambodscha
überlebt" - liest man auf den T-Shirts mancher Besucher in den Ruinen von Angkor
- auch in Südostasien produziert die Souvenirindustrie manchen Blödsinn. Ein
Touristenladen in Siem Reap, dem Ausgangspunkt zum größten sakralen Bauwerk der
Welt, nennt sich „Minefield Studio" - eine makabre Anspielung auf die
Minenfelder, die der langjährige Krieg in Kambodscha hinterlassen hat.
Kriegsschrecken aller Art, von den Bombenteppichen der Amerikaner bis zum
Massenmorden der kommunistischen Roten Khmer, haben dieses geschundene Land
heimgesucht, fast jede Familie hat Kriegsopfer zu beklagen. Doch nach einem
fragilen Waffenstillstand der Bürgerkriegsparteien und von den UN überwachten
Wahlen kommen nun wieder Touristen nach Kambodscha. Als Devisenbringer sind sie
willkommen. Die Einreise wird ihnen leichtgemacht. Das Visum erhält man für
zwanzig Dollar am Flughafen von Phnom Penh. Nach der flüchtigen Zollkontrolle
reißt sich ein Pulk von Taxifahrern um die Ankömmlinge. Der Fahrpreis wird
ausgehandelt, und auch um den Hotelpreis wird man später feilschen können. In
der Zeit der Friedensmissionen sind in der Hauptstadt zahlreiche Hotels
entstanden, die jetzt die meiste Zeit leer stehen.
Phnom Penh mit seinen großzügig angelegten Boulevards und Kolonialgebäuden im
französischen Stil hatte als „Perle des Fernen Ostens" gegolten und Kambodscha
als ein blühendes, neutrales Land, bevor es zum Nebenschauplatz des
Vietnam-Krieges wurde. Unter der Schreckensherrschaft der Roten Khmer, die
Kambodscha eine Art Steinzeitkommunismus aufzuzwingen versuchten, wurde Phnom
Penh zu einer Geisterstadt. Das urbane und intellektuelle Leben wurde zerstört,
ein großer Teil der Führungs- und Mittelschicht ermordet. Es kam zu
Zwangsumsiedlungen und Massenflucht. Erst der ungeliebte Nachbar Vietnam
befreite Phnom Penh nach dem vier Jahre währenden Albtraum und drängte die
Soldateska Pol Pots in die Regenwälder des Nordwestens zurück.
Aus der „Volksrepublik Kampuchea" wurde wieder eine Monarchie; im Königspalast
von Phnom Penh residiert erneut Norodom Sihanouk, ein politischer
Balancekünstler von hohen Graden. Der von Mauern umgebene Palastkomplex, die
Pracht seiner buntglasierten Dächer und reichverzierten Giebel, die renovierten
Pagoden und Pavillons, das leise Klirren der Tempelglöckchen und der Wohlgeruch
exotischer Pflanzen geben dem Stadtviertel eine idyllisch-friedliche Atmosphäre.
Für Touristen freilich ist nur das Areal der Silberpagode zugänglich, dort sind
herrliche Wandmalereien, Episoden des Ramayana-Epos, Buddhastatuen aus Gold,
Bronze, Marmor, Jade und Kristall sowie plakative Konterfeis des jungen Sihanouk
als Mönch und Kadett zu sehen.
Andere Stadtviertel, auch das Geschäftszentrum mit der
riesigen Markthalle, vor allem die Seitenstraßen mit ihren Abfallhalden und
Fäkalienecken sind verkommen und stinken zum Himmel. Vom Land zurückgekehrte,
arbeitsuchende Bewohner und arme Bauernfamilien, die aus immer noch von Roten
Khmer kontrollierten Gebieten geflohen sind, haben sich mitsamt Hühnern, Ziegen
und Schweinen in halbverfallenen Häusern einquartiert. Phnom Penh habe jedoch
vor zwei, drei Jahren viel trostloser ausgesehen, heißt es. Jetzt rege sich
überall Wiederaufbaugeist, jeden Tag würden neue Läden, Werkstätten, Restaurants
eröffnet, die Strom- und Wasserversorgung falle weniger häufig aus. In den
gepflegteren Vierteln haben Consultants und internationale Hilfsorganisationen
ihre Büros, findet man Supermärkte, Boutiquen, Discotheken, Nachtlokale. Noch
sieht man wenige Autos, um so mehr Kolonnen von Fahrrädern und Fahrradrikschas,
dazwischen viele Mopedfahrer, die sich an keinerlei Verkehrsregeln halten.
Abends bevölkert sich die kilometerlange Promenade am Tonle Sap, einem Nebenarm
des Mekong, mit Spaziergängern, Getränkeverkäufern und ambulanten Küchen. Matten
werden für Picknicks ausgebreitet, Suppen, Salate, gerösteter Fisch und
natürlich Reis werden serviert. Auf dem lehmbraunen Fluss schwimmen Fähren und
Fischerboote wie Korken, nackte Kinder krabbeln auf der steilen Böschung,
Wäscherinnen und Badende finden sich ein, junge Leute spielen Federball. In der
Hafengegend werden Holzkähne, die zu den Flußhäfen in Nord- und Südkambodscha
fahren, mit Säcken und Kisten beladen. Phnom Penh kann seine französische
Kolonialvergangenheit nicht verleugnen. Kambodschas Unabhängigkeitsdenkmal ist
eine Nachbildung des Pariser Triumphbogens. Das Nationalmuseum in Phnom Penh
wurde von den Franzosen im Khmer-Stil erbaut und von den Roten Khmer verwüstet.
Seine dezimierte Sammlung stützt die These, daß sich eine Hochkultur, wie sie
das frühe Khmer-Reich hervorgebracht hat, nur auf der Grundlage einer blühenden
Landwirtschaft erhalten kann. Angkor, dessen fünftürmiger Haupttempel auf der
Nationalflagge abgebildet ist, gilt als Musterbeispiel; ihm gilt das
Hauptinteresse der Touristen in Kambodscha.
Von Phnom Penh wird gesagt, seine Sehenswürdigkeiten ließen sich an einem Vor-
oder Nachmittag kennenlernen. Für Angkor jedoch brauche man drei Tage, besser
noch eine ganze Woche. Auf dem Landweg läßt sich die Reise in sieben Stunden
machen. Mit dem Flugzeug geht es schneller: Nach knapp einer Stunde landet die
kleine Maschine auf dem Flughafen von Siem Reap, der demnächst von deutschen
Firmen ausgebaut werden soll. Internationale Hotelkonzerne haben auch schon
Pläne zum Bau von Luxushotels und Resortanlagen. Und Angkor Wat, das früher dem
Königlichen Ballett einen stilvollen Rahmen bot, soll nun gar ein aufwendiges
Klang- und Lichtspektakel erhalten. Die Regierung will Kapazitäten für jährlich
eine Million Besucher schaffen. Im touristischen Wettbewerb mit den Nachbarn
Thailand und Vietnam soll auch der Hafen- und Seebadeort Sihanoukville für ein
breites Reisepublikum erschlossen werden. Einstweilen profitieren kleinere, oft
von Reisegruppen belegte Hotels von dem neuen Touristenboom.
Noch erinnert vieles an die jüngste Vergangenheit. Überall etwa fahren paramilitärische Fahrzeuge mit der Aufschrift „Landmining Clearing". Die Zahl der von den verschiedenen Kriegsparteien ausgelegten Landminen wird auf sechs bis zehn Millionen geschätzt. Davon wurde erst ein Bruchteil geräumt. Etwa 100000 Landbewohner konnten deshalb noch nicht auf ihren angestammten Grund und Boden zurückkehren. Weder in Phnom Penh noch in Siem Reap und auch nicht in den Tempelanlagen von Angkor bleibt einem der Anblick verstümmelter und erblindeter Minenopfer erspart. Die einen tragen bettelnd zum Lebensunterhalt ihrer Familien bei, andere sieht man auf Krücken gestützt bei Feld-, Haus und sogar bei Straßenbauarbeiten. Vom kambodschanischen Staat ist wenig Hilfe zu erwarten. Es ehrt karitative Organisationen und Länder der sogenannten Ersten Welt, daß sie sich an der Minenräumung und der Rehabilitation von Minenopfern nicht nur finanziell, sondern auch mit Personal beteiligen, damit die Hilfe den Bedürftigen wirklich zugute kommt. Solange das monatliche Durchschnittseinkommen eines Kambodschaners unter dem Preis liegt, den ein Tourist für ein Abendessen bezahlt, wird die weitverbreitete Korruption an der Tagesordnung bleiben.
Ein anderes Problem liegt in der hohen Arbeitslosigkeit,
vor allem unter Jugendlichen. Der blutige Bürgerkrieg hat in Kambodscha zu einem
beträchtlichen Frauenüberschuß geführt, doch jetzt drängt der Nachwuchs
geburtenstarker Jahrgänge ins Berufsleben. Viele junge Leute lernen Englisch,
heute mehr als Französisch die Zweitsprache der Khmer, um sich einen relativ
gutbezahlten Job bei einer ausländischen Firma zu beschaffen. Andere gehen zum
Militär oder ins Kloster. Die fanatischen Pogrome der Roten Khmer hatten sich
nicht zuletzt gegen die Geistlichkeit gerichtet. Jetzt sieht man in Kambodscha
wieder viele Mönche in ihren safranfarbenen Gewändern. Das Interesse an
materiellen Dingen, wie Armbanduhren und Zigaretten, läßt darauf schließen, daß
nicht jeder einer inneren Berufung folgt. Diesen Eindruck erhält man auch bei
Begegnungen mit jungen Soldaten. Zur Absicherung von Angkor wurden starke
Truppenverbände abgestellt, viele von ihnen haben keine festen Unterkünfte,
sondern leben mit Hängematten und Kochstellen im Freien. Manchmal krachen
Gewehrsalven durch den dschungelartigen Wald, vermutlich wird dann Jagd auf
Vögel und Affen gemacht. In den weitläufigen Tempelanlagen finden sich mehr
Spuren von Vandalismus als von Kriegszerstörungen. Angkor wurde jahrzehntelang
von Kunsträubern heimgesucht, und es ist anzunehmen, daß schlechtbesoldete
Soldaten der Koalitionsregierung, der Roten Khmer und der vietnamesischen
Besatzungsmacht mit ihnen im Bunde waren.
Vor den Hotels von Siem Reap halten sich Fahrer von Mopedtaxis bereit. Für
sieben oder acht Dollar pro Tag kann man mit ihnen zu den Tempeln von Angkor
ausschwärmen. An der Einfahrt zur archäologischen Zone ist eine Tagesgebühr von
zwanzig Dollar zu bezahlen; eine Dreitageskarte kostet vierzig Dollar. Die
meisten Besichtigungen beginnen und enden mit Angkor Wat, dem Nationalheiligtum
der Kambodschaner - auch die Roten Khmer haben das Bauwerk, allerdings nur
dreitürmig, zu ihrem Flaggenemblem erkoren.
In der Khmer-Sprache bedeutet Angkor soviel wie „Hauptstadt"; sie wurde im
neunten Jahrhundert, noch vor dem Zeitalter der europäischen Gotik, gegründet.
Dreihundert Jahre später fand sie in Angkor Wat, dem vollkommensten Kultbau der
khmerischen Gottkönige, ihren künstlerischen Höhepunkt. Ebenso wie die östlich
von Siem-Reap gelegenen Tempel der Roluos-Gruppe, die ältesten Steintempel
Angkors, ist Angkor Wat ein hinduistisches Bauwerk in dem jetzt überwiegend
buddhistischen Land. Die aus dem Norden eingewanderten Khmer hatten - wie andere
Teile Indochinas und Indonesiens - seit dem sechsten Jahrhundert unter indischem
Kultureinfluß gestanden. Angkor Wat, das größte religiöse Monument der Welt, war
dem Hindu-Gott Wischnu geweiht, es symbolisiert den mythischen Götterberg Meru
im Himalaja, und wahrscheinlich war der Tempel auch als Mausoleum seines
Erbauers, des Königs Suriavarman IL, gedacht.
Ein breiter Wassergraben, Symbol des Weltmeeres, umgibt das Sanktuarium; eine
bunte Menschenmenge von Touristen, Verkäufern und Bettlern bewegt sich über den
von großen Sandsteinplatten bedeckten Damm zum Haupteingang, zu turmgeschmückten
Kolonnaden und Seitenportalen. Dort steht ein girlandenbehängtes Abbild des
mehrarmigen Wischnu, sieht man Lingams, phallische Fruchtbarkeitssymbole, und es
sind wie im gesamten Tempelbezirk überall Devaras, Hindu-Göttinnen, und Apsaras,
himmlische Tänzerinnen, in Flachreliefs abgebildet.
Die großartige Fassade von Angkor Wat, die perfekte Symmetrie des Tempels, wird
erst sichtbar, wenn man aus dem Halbdunkel der Gewölbe die 350 Meter lange, von
steinernen Schlangenleibern gesäumte Prozessionsstraße betritt: Leicht
zurückversetzt erhebt sich der Tempelberg mit seinen drei Terrassen, steilen
Außentreppen, umlaufenden Pfeilergalerien und fünf Türmen vor dem Betrachter.
Das überwältigend schöne Bauwerk spiegelt sich in zwei Tempelteichen. An den
achthundert Meter langen, reliefgeschmückten Galerien sind Szenen aus dem
Ramayana und aus der Khmer-Geschichte geschildert. Manche der feinen Reliefs
wirken wie eine Seidentapete.
Bevor sich die Khmer auf die künstlerische Gestaltung ihrer Hauptstadt
konzentrieren konnten, hatten sie ein Bewässerungssystem angelegt, das jährlich
drei Ernten erlaubte. Mit dem Bau riesiger Staubecken, den teilweise immer noch
genutzten Barays von Angkor, schufen sie die Grundlage ihres wirtschaftlichen
Wohlstands. Daß die Anlage so riesig wurde, hat freilich einen einfachen Grund:
Jeder neue König trachtete danach, eine neue Hauptstadt, sein eigenes
Sanktuarium, zu errichten. Die auf Ochsenkarren und Arbeitselefanten
herbeigeschafften
Steine stammten aus den vierzig Kilometer entfernten
Kulen-Bergen; Kriegsgefangene und Sklaven wurden als Treiber, Steinmetze und
Bauarbeiter eingesetzt. Die Kunstwissenschaft teilt die Tempel Angkors in
fünfzehn Stilepochen ein. Bald nach der Vollendung von Angkor Wat wurde die
Stadt von Cham-Kriegern überfallen. Aus Enttäuschung über das Versagen der
hinduistischen Götter - so lautet eine Geschichtshypothese - hätten sich die
nachfolgenden Khmer-Könige dem Buddhismus zugewandt. Jayavarman VII. ein Sohn
des Erbauers von Angkor Wat, ließ sich als Inkarnation des Bodhisattva verehren.
Die Schriftsprache der Mönche wechselte von Sanskrit zu Pali. In den neuen
Bauwerken tauchten immer mehr buddhistische Motive auf - so auch im monumentalen
Bayon-Tempel, dem bedeutendsten Bauwerk von Angkor Thom.
Die größte Stadt Angkors soll einst von mehr als 100000 Menschen bewohnt gewesen
sein. Neun Quadratkilometer ist das Areal groß. Statuen von Göttern und Dämonen
säumen die „Straßen der Riesen", die auf zwanzig Meter hohe Stadttore mit großen
Buddha-Gesichtern zuführen. Oder sind in den Gesichtern die Züge des Gottkönigs
festgehalten? Im Bayon, der von weitem wie ein Steinbruch aussieht, sind die
Gesichter allgegenwärtig. Erst beim Näherkommen erkennt man die „Gesichtertürme"
über den Tempelterrassen. Von jedem Turm blicken die rätselhaften Gesichter in
alle Himmelsrichtungen. Auch hier findet man an den Tempelwänden graziöse
weibliche Gestalten mit dem berühmten, entrückt-geheimnisvollen Angkor-Lächeln,
auch hier feingearbeitete Reliefs, die Kriegszüge und Siegesparaden, Volks- und
Alltagsszenen, Waffen, Wagen, Boote, Arbeitsgeräte, Gewänder und Spielsachen
jener Zeit zeigen. Es sind aber die mehr als zweihundert Kolossalgesichter, die
im Bayon den stärksten Eindruck hinterlassen. Dieser Tempel ist wie eine
Apotheose auf die größte Machtausdehnung des Khmer-Reiches, das einst weite
Teile Vietnams und Thailands eingeschlossen hatte.
In ihrem Baueifer scheinen die Khmer die äußeren Gefahren verkannt zu haben.
Thaivölker fielen in das Kernland, das heutige Kambodscha, ein, Angkor wurde
aufgegeben und versank für mehr als vierhundert Jahre in die Geschichtslosigkeit
des Dschungels. Als im Jahre 1869 der französische Forscher Henri Mouhot
zufällig auf die Trümmer Angkors stieß, schrieb er begeistert an Zeitungen in
aller Welt: „Der Anblick läßt den Besucher alle Strapazen der Reise vergessen.
Plötzlich scheint er wie durch Zauberhand von der Barbarei in die Zivilisation,
aus tiefster Finsternis ans Licht versetzt worden zu sein." Seit 1908 nahm sich
die Ecole Francaise d'Extreme-Orient der Ruinen an. Angkor Wat, dessen
mörtellose Steinschichten von Regenwasser durchdrungen und zerbrochen waren,
erhielt ein Drainagesystem und steht heute auf dem zweihundert Quadratkilometer
großen Ruinengelände von Angkor als das am gründlichsten restaurierte Bauwerk
da. Der Bürgerkrieg unterbrach die Arbeit der Archäologen. Bei der Rettung des
Weltkulturerbes setzen sie jetzt Baukrähne und Computer ein. Restauratoren aus
anderen Ländern, auch aus Indien und Indonesien, sind hinzugekommen. Kolonnen
von Einheimischen, vielfach Frauen, sieht man vom frühen Morgen bis zum drückend
schwülen Nachmittag bei Schwertransporten über Stock und Stein. Aushub,
Baumteile, mit Buschmessern geschnittenes Unkraut werden auf Schultern und
Köpfen davongetragen.
Ta Prohm, eine Klosteranlage mit fünffacher Mauereinfassung, wird absichtlich in
dem Zustand des Verfalls belassen, um Besuchern die Zerstörungskraft der
tropischen Natur zu zeigen. Die Wurzeln mächtiger Würgefeigen und Kapokbäume
halten das Mauerwerk umkrallt und haben es gesprengt. Meterhohes Unkraut sprießt
aus den Ritzen, überwuchert eingestürzte Räume, Gänge, Säulen. Durch die grüne
Dschungelwand dringt nur gedämpftes Licht. Die Konturen anderer Tempelanlagen
verwischen sich in der flimmernden Mittagshitze, dann möchte man nur noch im
Schatten eines halbverfallenen Turms, auf der Schwelle eines Gewölbes ausruhen.
Wie konnte in diesem kräftezehrenden, gleichförmigen Treibhausklima eine
Hochkultur entstehen? Zwar leben die Bauern und Fischer Kambodschas in den
Palmstrohhütten kaum anders als ihre Vorfahren, und nach wie vor ziehen
buddhistische Mönche mit ihren Bettelgefäßen von Tür zu Tür. Aber wieviel
Reichtum, wieviel Baukunst und Schönheitssinn ist in den Ruinen Angkors zu
bewundern. Abends um sieben Uhr müssen alle Besucher die Tempelgelände verlassen
haben. In einem kurzgefaßten „Führer zu den Monumenten Angkors" teilt das
„Angkor Conservation Office" warnend mit, allabendlich würden Minen ausgelegt -
um Plünderungen zu verhindern.