FAZ 25.10.1991
Mehr als zwanzig Jahre Bürgerkrieg
Es begann mit dem Sturz Sihanouks
Die kambodschanischen Bürgerkriegsparteien haben mit der Unterzeichnung eines
Abkommens, das den Bürgerkrieg in Kambodscha beenden und den Übergang zur
Demokratie regeln soll, eine Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden in dem
südostasiatischen Land geschaffen. Zwei Jahrzehnte lang hatten sich die
Kambodschaner gegenseitig bekämpft, unterstützt von ausländischen Mächten, die
in der Region eigene Interessen verfolgten.
18. März 1970: General Lon Nol setzt den Prinzen Sihanouk ab und wird
Staatschef. Mit amerikanischer Hilfe kämpft er gegen die nordvietnamesischen
Truppen sowie gegen die Roten Khmer.
17. April 1975: Nach fünf Jahren Krieg nehmen die Roten Khmer Phnom Penh ein.
Sie beginnen mit der Deportation der Bevölkerung aufs Land. In den folgenden
Jahren ermorden sie Millionen Menschen.
9. September 1975: Prinz Sihanouk kehrt nach Kambodscha zurück, tritt aber am 5.
April 1976 vom Amt des Staatschefs zurück, da er sich gegen die Roten Khmer
nicht behaupten kann. Khieu Samphan wird Staatschef, Pol Pot Premierminister.
25. Dezember 1978: Vietnamesische Truppen marschieren in Kambodscha ein. Sie
vertreiben die Roten Khmer am 7. Januar 1979 aus Phnom Penh. Im Oktober 1979
werden die Roten Khmer von der UN als rechtmäßige Regierung anerkannt.
21. Juni 1982: Prinz Sihanouk, Son Sann und die Roten Khmer unter Khieu Samphan
bilden eine Widerstandskoalition unter Führung Sihanouks.
1984 und 1985: Die vietnamesischen Soldaten sowie die des Regimes in Phnom Penh
bemächtigen sich der wichtigsten militärischen Positionen.
2. Dezember 1987: In Frankreich trifft Prinz Sihanouk zum ersten Mal mit dem
kambodschanischen Premierminister Hun Sen zusammen.
25. Juli 1988: Die vier Bürgerkriegsparteien treffen sich zum ersten Mal in
Bogor, Indonesien.
5. April 1989: Vietnam kündigt an, es werde seine Truppen in sechs Monaten aus
Kambodscha abziehen.
2. Mai 1989: Bei einem Treffen in Djakarta stimmen Prinz Sihanouk und Hun Sen
der Einberufung einer internationalen Friedenskonferenz zu.
30. Juli bis 30. August 1989: Die internationale Friedenskonferenz unter
französischer und indonesischer Schirmherrschaft scheitert an der unnachgiebigen
Haltung der Roten Khmer sowie an der Weigerung Hun Sens, die Roten Khmer in eine
Übergangsregierung aufzunehmen.
26. September 1989: Die Vietnamesen schließen ihren Rückzug ab, schicken aber in
den folgenden Wochen wieder Soldaten an die Grenze zu Thailand, da dort
insbesondere die Roten Khmer an Boden gewinnen.
18. Juli 1990: Washington entzieht der gegen Phnom Penh kämpfenden Koalition
seine Unterstützung.
28. August 1990: Die fünf Ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats schlagen
Grundzüge einer Friedensregelung vor.
9. September 1990: In Djakarta wird die Bildung eines Nationalrats für
Kambodscha vereinbart, dem sechs Vertreter der Regierung in Phnom Penh angehören
sowie je zwei Vertreter der Widerstandsfraktionen der Roten Khmer, Prinz
Sihanouks und Son Sanns.
1. Mai 1991: Die vier Bürgerkriegsparteien erklären sich zur Beachtung eines
Waffenstillstands bereit.
2. bis 4. Juni 1991: Bei der Sitzung des Nationalrats verständigen sich Prinz
Sihanouk und Hun Sen auf dessen Funktionen, während die Roten Khmer den Bruch
des Waffenstillstands verkünden.
23. bis 26. Juni 1991: In Thailand beschließt der Nationalrat abermals die
Beachtung des Waffenstillstands sowie den Stopp ausländischer Militärhilfe für
die Bürgerkriegsparteien. Prinz Sihanouk wird Koordinator des Nationalrats, der
Anspruch auf die Vertretung Kambodschas bei den Vereinten Nationen erhebt.
16. bis 18. Juli 1991: Bei einem Treffen des Nationalrats in Peking wird Prinz
Sihanouk dessen Präsident, nachdem er auf alle Funktionen in der
Widerstandskoalition verzichtet hat. Der Nationalrat beschließt, sich im
November in Phnom Penh niederzulassen.
23. Oktober 1991: Die vier Bürgerkriegsparteien unterzeichnen ein Abkommen, das
einen von den Vereinten Nationen kontrollierten Waffenstillstand vorsieht. Die
Truppen der Bürgerkriegsparteien sollen weitgehend abgebaut und streng überwacht
werden. (R.B.)
Kambodschaner feiern das Friedensabkommen
BANGKOK, 24. Oktober (Reuter/AP/ AFP).
Das Pariser
Kambodscha-Abkommen wird von den Roten Khmer als Sieg über Vietnam gewertet, das
die Radikalkommunisten 1978 von der Macht vertrieben hatte. Nun müsse Vietnam
alles Personal aus Kambodscha abziehen, meldete am Donnerstag der Rundfunk der
Roten Khmer. Vietnam zog nach eigenen Angaben im September 1989 die letzten
Soldaten und Berater ab, doch wird das von den Roten Khmer bezweifelt.
Ministerpräsident Hun Sen nannte das Abkommen einen Sieg des Friedens. Im
Rundfunk rief er dazu auf, sich nun auf den Wiederaufbau des Landes zu
konzentrieren.
Mit kleinen Umzügen in den Lagern haben kambodschanische Flüchtlinge in Thailand
die Unterzeichnung des Friedensvertrages für ihr Land gefeiert. Wie Mitarbeiter
von Hilfsorganisationen am Donnerstag berichteten, war die Beteiligung gering,
da wenige der 350 000 Flüchtlinge darüber informiert seien, was ihnen das
Abkommen bringen werde. Im Lager 2, dem größten entlang der
thailändisch-kambodschanischen Grenze, war auch nach der Meldung über den
Friedensschluß in Paris Kanonendonner zu hören.
Trotz des weltweit begrüßten Waffenstillstandabkommens halten die Kämpfe in
Kambodscha an. Aus dem Nordwesten des Landes wurde am Donnerstag schweres
Artilleriefeuer gemeldet. Die mit den berüchtigten Roten Khmer verbündete kleine
Rebellenbewegung KPNLF beschuldigte die Regierung, eine Offensive zu führen.
Nach Angaben von Rebellen und thailändischen Militärs konzentrierten sich die
Kämpfe um Regierungspositionen bei Svay Chek 30 Kilometer von der Grenze zu
Thailand entfernt. Nach Angaben der KPNLF flohen Tausende Zivilisten vor dem
Artilleriebeschuß der Regierungstruppen. Thailändische Militärs berichteten, die
Rebellen hätten mehrere Dörfer in der Nacht überrannt.
Vietnam und China haben die Unterzeichnung des kambodschanischen
Friedensabkommens begrüßt. Beide Staaten, die im Kambodscha-Konflikt verfeindete
Bürgerkriegsparteien unterstützt hatten, sicherten dem Land Unterstützung zu.
Prinz Sihanouk, der Vorsitzende des Obersten Nationalrates vom Kambodscha, und
der französische Außenminister Dumas haben die Präsenz der Roten Khmer bei der
Pariser Konferenz abermals gerechtfertigt. Ihrer Ansicht nach wäre der Frieden
niemals zustande gekommen, hätte man die Roten Khmer ausgeschlossen.