Der Krieg auf Maluku — eine Tragödie ohne Ende?
von Antonius Larenz
Der Autor ist Ethnologe und Mitarbeiter
des Instituts für angewandte Kulturforschung (IFAK) e.V., Göttingen
Seit
Anfang 1998 werden die Molukken, eine Gruppe von etwa 1000 Inseln im östlichen
Indonesien, von schweren bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Christen
und Muslimen erschüttert. Bei diesen Kämpfen sind nach übereinstimmenden
Schätzungen mindestens 4000 Menschen ums Leben gekommen und Hunderttausende
sind auf andere Inseln geflohen, entweder auf Inseln innerhalb des Gebiets der
Molukken oder nach Sulawesi, West-Timor und Irian. Somit ist de facto bereits
eine Umverteilung nach Religionszugehörigkeit hergestellt worden, vergleichbar
mit dem Vorgang der ethnischen Säuberungen im ehemaligen Jugoslawien.
Der
Regierung von Präsident Abdurrahman Wahid, allgemein auch als Gus Dur bekannt,
ist es bislang nicht gelungen, den blutigen Konflikt unter Kontrolle zu
bekommen. Trotz der Verhängung eines zivilen Ausnahmezustandes am 27.6. 2000
mit einer Ausgangssperre und einem Versammlungsverbot für mehr als zehn
Personen sowie der Aufforderung, die Waffen abzugeben, kommt es weiterhin zu
Schießereien und Übergriffen. Die Stadt Ambon glich nach Berichten von
Reportern Sarajevo. Die Menschen blieben anfangs in ihren Häusern, da sie
draußen Gefahr liefen, von Heckenschützen getroffen zu werden. Offiziell dürfen
auch keine Personen mehr von außerhalb auf die Molukken einreisen.
Internationale Vertreter von Hilfswerken und sonstigen Organisationen sind auf
den Molukken kaum noch vorhanden, was die Berichterstattung über die dortigen
Vorgänge beeinträchtigt.
Die Lage hatte
sich weiter verschärft durch die Ankunft von militanten muslimischen Kämpfern,
die als Laskar Jihad (Truppen des Heiligen Krieges) bekannt geworden
sind. Das Hauptquartier dieser Gruppierung befindet sich in Yogyakarta, von
dort wird der Einsatz auf den Molukken organisiert und geleitet. Auf den
Molukken selbst sollen sich bis zu 3000 dieser Kämpfer befinden, bewaffnet mit
Schwertern, aber inzwischen auch mit modernen Feuerwaffen, die wahrscheinlich
aus Armee- und Polizeibeständen stammen.
Nach
Auffassung des in Australien lebenden indonesischen Soziologen G. Aditjondro
erhält Laskar Jihad finanzielle Unterstützung aus islamischen Kreisen, aber
auch vom ehemaligen Finanzminister Bawazier sowie von Militärs, die noch loyal
zu Suhartos ehemaligem Verteidigungsminister Wiranto stehen. Die Anhänger von
Laskar Jihad sollen sich aus »naiven Dörflern« rekrutieren, die von der
Tatsache überzeugt seien, dass es sich bei den Auseinandersetzungen auf den Molukken
um eine christliche Verschwörung handelt, deren erster Teil mit der staatlichen
Unabhängigkeit Osttimors von Indonesien eingeleitet worden sei. Nun sollen die
Molukken folgen und auch West-Papua sowie Nord- und Zentral-Sulawesi mit einer
starken christlichen Bevölkerung würden diesem Beispiel folgen und zu einer
Auflösung des indonesischen Nationalstaats beitragen so Aditjondro. Ohne
Unterstützung seitens einflussreicher Personen und militärischer Kreise ist
allerdings in der Tat kaum vorstellbar, wie im einst so durchkontrollierten
Staatsgebilde Indonesiens plötzlich bewaffnete Gruppierungen öffentlich ein
Trainingscamp in der Nähe von Jakarta einrichten und dann einige Tausend Mann
auf die Molukken schicken konnten, ohne dass sie auch nur im geringsten daran
gehindert werden. Noch im Januar 2000 hatte der Parlamentssprecher Amien Rais,
einer der politischen Gegner des jetzigen Präsidenten Wahid (genannt Gus Dur),
auf einer Demonstration in Jakarta vor 50.000 Jihad — Anhängern gesprochen,
was allgemein als Ermutigung interpretiert wurde.
Der
Konflikt auf den Molukken wurde ausgelöst durch einen Streit zwischen einem
christlichen Busfahrer und einem muslimischen Fahrgast. Dieser Streit
eskalierte zu brutalen Zusammenstößen zwischen Christen und Muslimen in Ambon,
der Provinzhauptstadt von Maluku. Im Vorfeld hatte es bereits Kirchenbrände
und Übergriffe auf Moscheen in Jakarta und Westtimor gegeben, d.h. es herrschte
schon eine Atmosphäre der Konfrontation. Das Verhältnis zwischen den Christen
und den Muslimen auf den Molukken galt einst als ein Modell für das friedliche
und harmonische Zusammenleben dieser beiden Religionen. Der australische Journalist
J. Balowski meint, dass dieser Konflikt ein deutliches Zeugnis davon ablegt,
wie weit sich die indonesische Gesellschaft in der Post-Suharto-Ära
brutalisiert hat und dass eine Kultur der Gewalt sich konsequent weiter
entwickelt. Für die Gewalt auf den Molukken gibt es sowohl lokale als auch
nationale Ursachen.
Auf
der nationalen Ebene sind die Molukken zu einem Spielball verschiedener
Fraktionen und Interessengruppen der politischen Elite geworden. Im
Zusammenhang mit den Ausschreitungen fällt immer wieder der Name des ehemaligen
Präsidenten Suharto bzw. seiner Familie. Es sei schon sehr auffällig,so der
Soziologe Aditjondro, dass jedesmal, wenn sich die staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungen gegen Suharto ein Stück weiter bewegt hätten, mit einer
gewalttätigen Reaktion auf den Molukken zu rechnen gewesen sei. Die mit der
Suharto-Familie eng verbundenen Konglomerate seien verantwortlich für die
finanzielle Unterstützung der Gewalt, zumal sie somit auch eine Rückzahlung
ihrer Schulden bei den indonesischen Banken aussetzen könnten, da durch die
Unruhen auf den Molukken ihre dortigen Investitionen keine Erträge mehr
einbringen würden.
Innerhalb der Regierung hat
es auch wenig Ansätze zu einer Lösung gegeben. Der Präsident Gus Dur und seine
Vizepräsidentin Megawati haben trotz
ihrer persönlichen Besuche
auf den Molukken keine Schlichtung herbeiführen können.
Der Präsident hatte seiner Vizepräsidentin dann auch die Aufgabe übertragen,
auf den Molukken für Frieden zu sorgen. Die Bevölkerung der Molukken gehörte in
der Vergangenheit zu den stärksten Unterstützern Megawatis und galt
als Hochburg ihrer Partei PDI-P. Für die muslimische Gemeinschaft Indonesiens
war die Unterstützung ihrer Glaubensbrüder und
-Schwestern auf den Molukken
zu einer sehr sensitiven Angelegenheit geworden, die
viele Emotionen hervorrief. Das wiederum
hatte Nachwirkung bei den explizit islamisch ausgerichteten
Politikern wie Amien Rais als ehemaligem Vorsitzenden der Muhammadiyah, der
als Vertreter eines urbanen islamischen Modernismus gilt. Gus Dur selbst, als Vertreter eines moderaten und liberalen Islam und als Vorsitzender der
größten islamischen Massenorganisation NU, war auch seinen Anhängern Antworten
schuldig. So war der Konflikt auf den Molukken von Beginn an auch ein Teil der
parteipolitischen Auseinandersetzungen der Reformasi-Ära.
Die
lokalen Probleme leiten sich noch wie so vieles in der indonesischen Politik
aus der Kolonialzeit her. Die Ambonesen waren vielen Indonesiern noch als ein
Teil der holländischen Kolonialarmee KNIL aus der Zeit der Unabhängigkeitsbewegung
her in schlechter Erinnerung. Diese besondere Stellung der Ambonesen
(allerdings hatte die KNIL ihre Soldaten auch aus anderen Bevölkerungsteilen
Indonesiens rekrutiert) führte in den 50er Jahren zu einer
Unabhängigkeitsbewegung auf den südlichen Molukken (RMS — Republik Maluku
Selatan), da viele Molukker befürchteten, durch ihre Nähe zu den holländischen
Kolonialisten im unabhängigen Indonesien keinen sicheren Platz mehr zu haben,
zumal die Bevölkerung der damals überwiegend christlichen Molukken sich in
einem dominant islamischen Indonesien auch in einer Minderheitenposition
befand. Seitdem galten die Molukker als unsichere Kantonisten des indonesischen
Nationalstaates. Was die starke Gemeinde der in den Niederlanden lebenden
Molukker betrifft, handelt es sich hierbei um ein zusätzliches Problem, da
hier sofort mit Einmischung aus dem Ausland argumentiert wird. Die
Unterstützung der christlichen Molukker aus Holland ist bereits zu einem Gegenstand
von Verdächtigungen geworden. Die Mehrheit der Christen bröckelte zusehends
ab, da sich durch die staatlichen Transmigrationsprogramme immer mehr Muslime
auf den Molukken ansiedelten, was dann in der Folge zu einer wirtschaftlichen
und politischen Verdrängung führte. Die Ernennung von drei muslimischen
Gouverneuren in Folge bedrohte somit auch die Stellung der Christen innerhalb
der Bürokratie. Die Spannung zwischen den einstmals kooperierenden
Religionsgemeinschaften wuchs und entlud sich schließlich in den Unruhen des
November 1998 in Ambon.
Das
indonesische Militär hat in diesem Konflikt eine sehr umstrittene Position.
Einerseits gelten Teile der Offiziere als immer noch loyale Anhänger von
Suharto bzw dem General und ehemaligem Verteidigungsminister Wiranto,
andererseits hat das Militär in seiner Funktion als Sicherheitsapparat die
Verantwortung für die innere Sicherheit. Auf den Molukken sind um die 10.000
Mann stationiert, von denen einige zu den kämpfenden Kontrahenten übergelaufen
oder desertiert sind.
Ohne
eine Beihilfe von Teilen des Militärs und der Polizei ist die Bewaffnung mit
automatischen Gewehren auf Seiten der Kämpfer kaum zu erklären. Teile der
lokalen Polizei haben sich den christlichen Gruppen angeschlossen, Teile der
Armee ihren muslimischen Glaubensbrüdern. Die Regierung hat Durchgreifen angeordnet,
aber die Umsetzung der Befehle ist nicht gewährleistet, was darauf hinaus
läuft, dass die Regierung am Ende als machtlos dasteht und das Militär als
einziger Garant der Ordnung übrig bleiben wird. Eine andere Option war der Ruf
nach UNO-Friedenstruppen, der von den Christen an den Generalsekretär der UNO
gerichtet wurde. Die indonesische Regierung hat aber einen solchen Einsatz
strikt abgelehnt, auch wenn zwischenzeitlich von Hilfseinsätzen die Rede war.
Allerdings wird kaum eine Lösung des Konfliktes auf den Molukken ohne
Zustimmung und Einsatz des Militärs umzusetzen sein.
Suche nach Lösungen
Was
verbleibt also den Menschen auf den Molukken an Hoffnung, dass sich die Lage
wieder stabilisiert und sie zu einem friedfertigen Zusammenleben zurückkommen
können? G. Aditjondro hat den Vorschlag unterbreitet, dass sich die
australische Regierung dafür einsetzen sollte, dass Länder mit einer
nicht-dominanten christlichen oder muslimischen Bevölkerung, also Länder wie
Indien, Thailand, Süd-Korea oder Japan eine aktivere Rolle in diesem Konflikt
spielen könnten. Das wäre zumindest auf der internationalen Ebene ein Schritt,
der positive Folgen haben könnte.
Da
es sich bei den Problemen auf den Molukken nicht um die Frage einer
eventuellen Unabhängigkeit handelt, sondern um einen Konflikt, der nicht
zuletzt aus der Situation der Abhängigkeit der Provinz von Entscheidungen der
Zentrale in Jakarta handelt, können die geplanten Veränderungen am Verhältnis
zu den Provinzen und der damit einhergehenden Verwaltungsreform einen Einfluss
haben. Allerdings kommen diese Reformen zu spät und es wird lange brauchen,
eine Versöhnung bzw. Annäherung zwischen den verfeindeten Religionsgruppen
herbeizuführen. Ein solcher Schritt wäre Voraussetzung für alles weitere.
In
der Vergangenheit hat es ein traditionelles Vermittlungsinstrument zwischen
den Muslim- und den Christendörfern gegeben, das pela gadong genannt wird. Auch
wenn dieses pela gadong nicht mehr so funktioniert oder auch in der traditionellen
Praxis nur auf einer Inter-Dorfebene institutionalisiert war, gibt es dennoch
innerhalb der Bevölkerung der Molukken diese Vorstellung noch, d.h. ein
Konzept von friedlichem interreligiösem Zusammenleben ist vorhanden. D.
Bartels, der lange auf den Molukken über diese Institution pela gadong
geforscht hat, sieht hierin einen Ansatzpunkt für eine Annäherung und hält im
übrigen die Molukker selbst erst einmal für diejenigen, die ein solches
Verfahren ins Leben rufen müssten.
Literatur:
Aditjondro, G. J.: The Tragedy of Maluku, Paper — Lecture and Seminar at
the Institute of Aboriginal Studies and Research at Macquarie University,
Sydney, May 2 2000
Balowski, James: A Deadly Mix of Religious
Tension and Local Disputes, Sydney Morning Herald July 22 2000
Bartels, D.: Your God is No Longer
Mine