Aus: Südostasien Nr. 3/2000 S. 44 – 46

 

Der Krieg auf Maluku — eine Tragödie ohne Ende?

von Antonius Larenz

Der Autor ist Ethnologe und Mitarbei­ter des Instituts für angewandte Kulturforschung (IFAK) e.V., Göttingen

 

Seit Anfang 1998 werden die Molukken, eine Gruppe von etwa 1000 Inseln im östlichen Indonesien, von schweren bewaffneten Auseinandersetzun­gen zwischen Christen und Muslimen erschüttert. Bei diesen Kämpfen sind nach übereinstimmenden Schätzungen mindestens 4000 Menschen ums Leben gekommen und Hunderttausende sind auf andere Inseln geflohen, entweder auf Inseln innerhalb des Gebiets der Molukken oder nach Sula­wesi, West-Timor und Irian. Somit ist de facto bereits eine Umverteilung nach Religionszugehörigkeit hergestellt worden, vergleichbar mit dem Vorgang der ethnischen Säuberungen im ehemaligen Jugoslawien.

 

Der Regierung von Präsident Abdurrahman Wahid, allge­mein auch als Gus Dur be­kannt, ist es bislang nicht gelungen, den blutigen Konflikt unter Kontrolle zu bekommen. Trotz der Verhängung eines zivilen Ausnahme­zustandes am 27.6. 2000 mit einer Ausgangssperre und einem Ver­sammlungsverbot für mehr als zehn Personen sowie der Aufforderung, die Waffen abzugeben, kommt es wei­terhin zu Schießereien und Übergrif­fen. Die Stadt Ambon glich nach Be­richten von Reportern Sarajevo. Die Menschen blieben anfangs in ihren Häusern, da sie draußen Gefahr lie­fen, von Heckenschützen getroffen zu werden. Offiziell dürfen auch keine Personen mehr von außerhalb auf die Molukken einreisen. Internationale Vertreter von Hilfswerken und sonsti­gen Organisationen sind auf den Molukken kaum noch vorhanden, was die Berichterstattung über die dortigen Vorgänge beeinträchtigt.

 

Laskar Jihad, die islamischen Kämpfer

 

Die Lage hatte sich weiter verschärft durch die Ankunft von mili­tanten muslimischen Kämpfern, die als Laskar Jihad (Truppen des Heili­gen Krieges) bekannt geworden sind. Das Hauptquartier dieser Gruppie­rung befindet sich in Yogyakarta, von dort wird der Einsatz auf den Molukken organisiert und geleitet. Auf den Molukken selbst sollen sich bis zu 3000 dieser Kämpfer befinden, be­waffnet mit Schwertern, aber inzwi­schen auch mit modernen Feuerwaf­fen, die wahrscheinlich aus Armee- und Polizeibeständen stammen.

Nach Auffassung des in Australien lebenden indonesischen Soziologen G. Aditjondro erhält Las­kar Jihad finanzielle Unterstützung aus islamischen Kreisen, aber auch vom ehemaligen Finanzminister Bawazier sowie von Militärs, die noch loyal zu Suhartos ehemaligem Ver­teidigungsminister Wiranto stehen. Die Anhänger von Laskar Jihad sollen sich aus »naiven Dörflern« rekrutieren, die von der Tatsache überzeugt sei­en, dass es sich bei den Auseinan­dersetzungen auf den Molukken um eine christliche Verschwörung han­delt, deren erster Teil mit der staatli­chen Unabhängigkeit Osttimors von Indonesien eingeleitet worden sei. Nun sollen die Molukken folgen und auch West-Papua sowie Nord- und Zentral-Sulawesi mit einer starken christlichen Bevölkerung würden die­sem Beispiel folgen und zu einer Auflösung des indonesischen Natio­nalstaats beitragen so Aditjondro. Ohne Unterstützung seitens einfluss­reicher Personen und militärischer Kreise ist allerdings in der Tat kaum vorstellbar, wie im einst so durchkon­trollierten Staatsgebilde Indonesiens plötzlich bewaffnete Gruppierungen öf­fentlich ein Trainingscamp in der Nähe von Jakarta einrichten und dann ei­nige Tausend Mann auf die Molukken schicken konnten, ohne dass sie auch nur im geringsten daran gehindert werden. Noch im Januar 2000 hatte der Parlamentssprecher Amien Rais, einer der politischen Gegner des jet­zigen Präsidenten Wahid (genannt Gus Dur), auf einer Demonstration in Jakarta vor 50.000 Jihad — Anhän­gern gesprochen, was allgemein als Ermutigung interpretiert wurde.

 

Ursachen des Konfliktes

 

Der Konflikt auf den Moluk­ken wurde ausgelöst durch einen Streit zwischen einem christlichen Busfahrer und einem muslimischen Fahrgast. Dieser Streit eskalierte zu brutalen Zusammenstößen zwischen Christen und Muslimen in Ambon, der Provinzhauptstadt von Maluku. Im Vorfeld hatte es bereits Kirchenbrän­de und Übergriffe auf Moscheen in Jakarta und Westtimor gegeben, d.h. es herrschte schon eine Atmosphäre der Konfrontation. Das Verhältnis zwi­schen den Christen und den Musli­men auf den Molukken galt einst als ein Modell für das friedliche und har­monische Zusammenleben dieser bei­den Religionen. Der australische Jour­nalist J. Balowski meint, dass dieser Konflikt ein deutliches Zeugnis da­von ablegt, wie weit sich die indo­nesische Gesellschaft in der Post-Suharto-Ära brutalisiert hat und dass eine Kultur der Gewalt sich konse­quent weiter entwickelt. Für die Ge­walt auf den Molukken gibt es so­wohl lokale als auch nationale Ursa­chen.

Auf der nationalen Ebene sind die Molukken zu einem Spielball verschiedener Fraktionen und Interessengruppen der politischen Elite geworden. Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen fällt immer wieder der Name des ehemaligen Präsidenten Suharto bzw. seiner Familie. Es sei schon sehr auffäl­lig,so der Soziologe Aditjondro, dass jedesmal, wenn sich die staatsan­waltschaftlichen Ermittlungen gegen Suharto ein Stück weiter bewegt hätten, mit einer gewalttätigen Reak­tion auf den Molukken zu rechnen gewesen sei. Die mit der Suharto-Familie eng verbundenen Konglo­merate seien verantwortlich für die finanzielle Unterstützung der Gewalt, zumal sie somit auch eine Rückzah­lung ihrer Schulden bei den indone­sischen Banken aussetzen könnten, da durch die Unruhen auf den Mo­lukken ihre dortigen Investitionen keine Erträge mehr einbringen wür­den.

Innerhalb der Regierung hat es auch wenig Ansätze zu einer Lö­sung gegeben. Der Präsident Gus Dur und seine Vizepräsidentin Megawati  haben  trotz  ihrer  persönli­chen   Besuche  auf  den   Molukken keine Schlichtung herbeiführen kön­nen. Der Präsident hatte seiner Vi­zepräsidentin dann auch die Aufga­be übertragen, auf den Molukken für Frieden zu sorgen. Die Bevölkerung der Molukken gehörte in der Ver­gangenheit zu den stärksten Unter­stützern   Megawatis   und   galt   als Hochburg ihrer Partei PDI-P. Für die muslimische Gemeinschaft Indone­siens war die  Unterstützung  ihrer Glaubensbrüder   und   -Schwestern auf  den   Molukken  zu  einer  sehr sensitiven Angelegenheit geworden, die viele Emotionen hervorrief. Das wiederum   hatte   Nachwirkung   bei den explizit islamisch ausgerichteten Politikern wie Amien Rais als ehe­maligem Vorsitzenden der Muhammadiyah, der als Vertreter eines urbanen    islamischen    Modernismus gilt. Gus Dur selbst, als Vertreter eines moderaten und liberalen Islam und als Vorsitzender der größten is­lamischen Massenorganisation NU, war auch seinen Anhängern Antwor­ten schuldig. So war der Konflikt auf den Molukken von Beginn an auch ein Teil der parteipolitischen Auseinandersetzungen der Reformasi-Ära.

Die lokalen Probleme leiten sich noch wie so vieles in der indo­nesischen Politik aus der Kolonial­zeit her. Die Ambonesen waren vie­len Indonesiern noch als ein Teil der holländischen Kolonialarmee KNIL aus der Zeit der Unabhängigkeits­bewegung her in schlechter Erinne­rung. Diese besondere Stellung der Ambonesen (allerdings hatte die KNIL ihre Soldaten auch aus ande­ren Bevölkerungsteilen Indonesiens rekrutiert) führte in den 50er Jahren zu einer Unabhängigkeitsbewegung auf den südlichen Molukken (RMS — Republik Maluku Selatan), da viele Molukker befürchteten, durch ihre Nähe zu den holländischen Ko­lonialisten im unabhängigen Indo­nesien keinen sicheren Platz mehr zu haben, zumal die Bevölkerung der damals überwiegend christlichen Molukken sich in einem dominant islamischen Indonesien auch in ei­ner Minderheitenposition befand. Seitdem galten die Molukker als un­sichere Kantonisten des indonesi­schen Nationalstaates. Was die starke Gemeinde der in den Nieder­landen lebenden Molukker betrifft, handelt es sich hierbei um ein zu­sätzliches Problem, da hier sofort mit Einmischung aus dem Ausland argumentiert wird. Die Unterstützung der christlichen Molukker aus Hol­land ist bereits zu einem Gegen­stand von Verdächtigungen gewor­den. Die Mehrheit der Christen brö­ckelte zusehends ab, da sich durch die staatlichen Transmigrationspro­gramme immer mehr Muslime auf den Molukken ansiedelten, was dann in der Folge zu einer wirt­schaftlichen und politischen Ver­drängung führte. Die Ernennung von drei muslimischen Gouverneu­ren in Folge bedrohte somit auch die Stellung der Christen innerhalb der Bürokratie. Die Spannung zwi­schen den einstmals kooperieren­den Religionsgemeinschaften wuchs und entlud sich schließlich in den Unruhen des November 1998 in Ambon.

 

Die Rolle des Militärs

 

Das indonesische Militär hat in diesem Konflikt eine sehr umstrit­tene Position. Einerseits gelten Teile der Offiziere als immer noch loyale Anhänger von Suharto bzw dem Ge­neral und ehemaligem Verteidi­gungsminister Wiranto, andererseits hat das Militär in seiner Funktion als Sicherheitsapparat die Verantwortung für die innere Sicherheit. Auf den Molukken sind um die 10.000 Mann stationiert, von denen einige zu den kämpfenden Kontrahenten überge­laufen oder desertiert sind.

Ohne eine Beihilfe von Teilen des Militärs und der Polizei ist die Bewaffnung mit automatischen Ge­wehren auf Seiten der Kämpfer kaum zu erklären. Teile der lokalen Polizei haben sich den christlichen Gruppen angeschlossen, Teile der Armee ihren muslimischen Glaubensbrüdern. Die Regierung hat Durchgreifen ange­ordnet, aber die Umsetzung der Be­fehle ist nicht gewährleistet, was dar­auf hinaus läuft, dass die Regierung am Ende als machtlos dasteht und das Militär als einziger Garant der Ordnung übrig bleiben wird. Eine an­dere Option war der Ruf nach UNO-Friedenstruppen, der von den Chris­ten an den Generalsekretär der UNO gerichtet wurde. Die indonesische Regierung hat aber einen solchen Einsatz strikt abgelehnt, auch wenn zwischenzeitlich von Hilfseinsätzen die Rede war. Allerdings wird kaum eine Lösung des Konfliktes auf den Molukken ohne Zustimmung und Einsatz des Militärs umzusetzen sein.

 

Suche nach Lösungen

 

Was verbleibt also den Men­schen auf den Molukken an Hoff­nung, dass sich die Lage wieder stabilisiert und sie zu einem friedferti­gen Zusammenleben zurückkommen können? G. Aditjondro hat den Vor­schlag unterbreitet, dass sich die australische Regierung dafür einset­zen sollte, dass Länder mit einer nicht-dominanten christlichen oder muslimischen Bevölkerung, also Länder wie Indien, Thailand, Süd-Korea oder Japan eine aktivere Rolle in diesem Konflikt spielen könnten. Das wäre zumindest auf der interna­tionalen Ebene ein Schritt, der positi­ve Folgen haben könnte.

Da es sich bei den Proble­men auf den Molukken nicht um die Frage einer eventuellen Unabhängig­keit handelt, sondern um einen Kon­flikt, der nicht zuletzt aus der Situation der Abhängigkeit der Provinz von Entscheidungen der Zentrale in Ja­karta handelt, können die geplanten Veränderungen am Verhältnis zu den Provinzen und der damit einherge­henden Verwaltungsreform einen Einfluss haben. Allerdings kommen die­se Reformen zu spät und es wird lange brauchen, eine Versöhnung bzw. Annäherung zwischen den ver­feindeten Religionsgruppen herbeizu­führen. Ein solcher Schritt wäre Vor­aussetzung für alles weitere.

In der Vergangenheit hat es ein traditionelles Vermittlungsinstru­ment zwischen den Muslim- und den Christendörfern gegeben, das pela gadong genannt wird. Auch wenn dieses pela gadong nicht mehr so funktioniert oder auch in der traditio­nellen Praxis nur auf einer Inter-Dorfebene institutionalisiert war, gibt es dennoch innerhalb der Bevölke­rung der Molukken diese Vorstellung noch, d.h. ein Konzept von friedli­chem interreligiösem Zusammenle­ben ist vorhanden. D. Bartels, der lange auf den Molukken über diese Institution pela gadong geforscht hat, sieht hierin einen Ansatzpunkt für ei­ne Annäherung und hält im übrigen die Molukker selbst erst einmal für diejenigen, die ein solches Verfahren ins Leben rufen müssten.

 

Literatur:

Aditjondro, G. J.: The Tragedy of Maluku, Pa­per Lecture and Seminar at the Institute of Aboriginal Studies and Research at Macquarie University, Sydney, May 2 2000

Balowski, James: A Deadly Mix of Religious Tension and Local Disputes, Sydney Morning Herald July 22 2000

Bartels, D.: Your God is No Longer Mine