General
Wiranto ratlos / Provokateure in Uniform?
Ha. COLOMBO, 4. Januar. Obwohl von Jakarta aus inzwischen beinahe zehntausend
Soldaten in Marsch gesetzt wurden, gehen der blutige Streit zwischen Christen
und Muslimen auf den 2300 Kilometer entfernten Molukken (Gewürzinseln)
weiter.
Polizeioffiziere
sprechen von einem Dominoeffekt, von einem Buschkrieg in einer Inselgruppe,
die 86 000 Quadratkilometer umfasst. Das macht das Zählen der Toten und
Verletzten schwierig. Während die Lage in Ambon einigermaßen unter Kontrolle
ist, hat sich das religiöse Feuer nach Norden, auf die Insel Halmahera, die
ehemaligen Sultanate Ternate und Tidore sowie nach Westen auf die frühere Gefangeneninsel
Buru ausgebreitet. Allein auf Halmahera sollen seit Anfang der Woche
zweihundert Personen umgekommen sein, in der letzten Woche wurden in der
Inselgruppe mehr als fünfhundert Tote gezählt, seit Anfang des Jahres mehr als
500. Kirchen und Moscheen stehen in Flammen, tausende von Wohnungen und Geschäften
sind zerstört. Während in Indonesien, der größten islamischen Nation der Welt,
neunzig Prozent der Bevölkerung von mehr als 200 Millionen Menschen Muslime
sind, ist die Aufteilung auf den Molukken 54 Prozent (Muslime) zu 44 Prozent
(Christen). Eine Folge portugiesischer und
niederländischer Kolonialherrschaften vor vierhundert Jahren - und der
„Entdeckung" von Nelke und Muskat, wie der Schriftsteller Pramoedya Ananta
Toer sagt, der unter Suharto viele Jahre als politischer Gefangener auf Buru
verbringen musste und heute, rehabilitiert, den Präsidenten Abrrahman Wahid
berät. Mit Hilfe der Christen, die sie vorher konvertiert hatten,
kontrollierten die Niederländer den lukrativen Gewürzhandel.
Die Spannungen
zwischen Christen und Muslimen schwelen seither, wurden verschärft durch den
Zusammenbruch der Nelkenpreise auf den Weltmärkten und den Zuzug muslimischer
Händler, Bauern und Arbeiter aus anderen Teilen des Inselreichs, der die
Bevölkerungsproportionen zuungunsten der Christen verändert hat. Für sie, die
früher als Soldaten, Beamte und Lehrer in niederländischen Diensten
prosperierten, schrumpfen die wirtschaftlichen Chancen in einer Gegend mit
gering entwickelter Industrie.
Wie immer in Indonesien
ist von „Provkateuren" die Rede, die im Auftrag der Armeeführung in
Jakarta oder der Familie des vor zwei Jahren zum Rücktritt gezwungenen
Diktators Suharto ihre schmutzigen Geschäfte verrichten könnten.
Der Politologe und Abgeordnete Mochtar Buchori spricht von
„manipulierter Gewalt", vom letzten Kampf der Kräfte des Status Quo, etwa
der Jugendorganisation (aus der Suharto-Zeit) Pemuda Pancasila oder der Spezialeinheit
der Armee, Kopassus. In der Tat könnten hohe Offiziere beweisen wollen, dass
die Regierung Wahid unfähig ist, das Inselreich zusammen zu halten. Ebenso
könnten sie bemüht sein, von den Untersuchungen der staatlichen
Menschenrechtskommission abzulenken, die gegen sie in Ost-Timor und Aceh im
Gange sind. Damit werden auch die sogenannten „Ninja-Morde" in Ost-Java
erklärt, deren Opfer hauptsächlich muslimische, der „Zauberei"
verdächtigte Kleriker sind. Hinter allem steht offenbar der Machtkampf
zwischen einer demokratisch gewählten, aber kaum führenden Regierung und einer
Armee, die ihre politische Macht nicht aus den Händen geben will.