Auf den Molukken werden Fähren und Fischerboote gestürmt /
Religiöse Unruhen erschüttern indonesische Inseln
Von Jürgen Dauth (Singapur)
Mehr als 200 Menschen sind bei gewalttätigen Auseinandersetzungen
zwischen Religionsanhängern auf der Inselgruppe der Molukken seit Januar
getötet worden. Einen Antrag, das Kriegsrecht über die Inseln zu verhängen,
haben die Streitkräfte abgelehnt.
Tausende Inselbewohner fliehen von den Molukken. Sie stürmen
Fähren und kapern Fischerboote, um mitsamt Hausrat und Mobiliar in benachbarte
Inselprovinzen zu gelangen. In Ambon, der Hauptstadt der Molukken, herrscht
Chaos, die Stadt liegt in Trümmern.
Eine Modellprovinz hatte Indonesiens Präsident Bacharuddin Jusuf
Habibie die Molukken genannt, bevor die Konflikte zwischen Christen und Moslems
sich zuspitzen. Als die Feindseligkeiten sich in Gewalt entluden, machte man
in Jakarta zunächst Agitatoren aus den Reihen der Golkar für die blutigen Zusammenstöße
verantwortlich. Die alte Riege aus Suhart-os Zeiten, so hieß es, wolle auf den
Molukken Unruhe säen, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Inzwischen
gilt diese Erklärung, vom Oberkommandierenden der Streitkräfte, General
Wiranto, eilfertig verbreitet, nur noch als eine mögliche Sichtweise. Die
andere: Die von Habibie gepriesene Harmonie zwischen der Christen und Moslems
auf den Molukken war erzwungen. Sie währte, so mutmaßen Beobachter, nur
solange, wie die Macht der indonesischen Streitkräfte unangefochten war. „Dies
ist heute nicht mehr der Fall", analysiert der Politologe Mohammad Hikam.
„Die Streitkräfte sind in ihrer Rolle verunsichert, das merkt man an der
Basis." Keinesfalls will Hikam das alte Rollenverständnis des
indonesischen Militärs wiederbeleben, das auf hartes Durchgreifen setzte, wenn
es galt, den inneren Frieden aufrechtzuerhalten. „Doch derzeit", meint
er, „sind die Streitkräfte selbst ein Opfer der politischen Umwälzung. Ihre
ernsthaften Bemühungen, demokratischer zu sein, macht sie nahezu
impotent." Als vorige Woche an die Soldaten der Befehl erging, auf den
Molukken auf Plünderer zu schießen, unterliefen sie diesen. Wurde doch einmal
geschossen, traf es nur zu oft unschuldige Passanten.
Die Streitkräfte versuchen, die Massenflucht der Molukkenbewohner
in die Nachbarprovinzen zu unterbinden. Sie befürchten, daß die Konflikte
zwischen religösen Widersachern dort weitergehen könnten. Doch die Truppen —
meist junge Soldaten — sind unfähig, dem Exodus Einhalt zu gebieten. Minister
des Habibie-Parlaments und die Abgeordnete der Provinz, haben den Präsidenten
aufgefordert, das Kriegsrecht über die Molukken zu verhängen. Doch dies lehnte
der Oberkommandierende der Streitkräfte, General Wiranto, ab. Er fürchtet,
daß die Armee ihr Image als „Streitkraft des Volkes", um das sie sich so
müht, verspielen könnte — und damit die Militärs auch ihren Anspruch auf eine
politische Rolle im neuen Parlament.
Wiranto hat sich zu einem Kompromiß durchgerungen. Er hat eine
1400 Mann starke Spezialeinheit gebildet, die nun zuerst auf den Molukken
eingesetzt werden soll. Erweist sich dieser Schritt als unwirksam, bleibt die
Möglichkeit, den Notstand auszurufen, was weniger drastisch wäre als das
Kriegsrecht mit Einschränkungen aller persönlicher Freiheiten.
Außer Rand und Band präsentierte sich eine neuen
indonesische Spezialtruppe gegen Kriminalität bei einem Fest in Jakarta (Bild: Charles Dharapak/ap)