01. Januar 2000
Vor genau einem Jahr, am 19. Januar 1999 begannen die schweren
Auseinandersetzungen auf den Molukken. Während über die genaue Zahl
der Opfer noch Unklarheit herrscht (Menschenrechtsorganisationen gehen
davon aus, dass zwischen 2.000 und 4.000 Menschen getötet wurden),
steht außer Frage, dass zehntausende Menschen bei den Kämpfen verletzt
wurden oder aus ihren Häusern fliehen mussten. Das öffentliche Leben
ist nachhaltig gestört, nachdem nicht nur zahllose Gebäude, sondern
auch Infrastruktureinrichtungen und Tausende Privathäuser
niedergebrannt oder geplündert worden sind. Dutzende Kirchen oder
Moscheen wurden mutwillig zerstört.
Sowohl in den indonesischen Medien als auch in der internationalen
Presse werden die Auseinandersetzungen vereinfacht als Glaubenskrieg
zwischen Christen und Muslimen dargestellt. Auch viele Angehörige der
streitenden Konfliktparteien begreifen die Kämpfe als religiösen
Konflikt. So werden die Christen von Muslimen der Missionierung
verdächtigt und als vermeintliche Separatisten bezeichnet, die die
Südmolukkische Exilregierung (RMS) unterstützen würden. Die Christen
fürchten wiederum, durch eine Islamisierung der Molukker noch weiter
an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden. Die Religion wird
somit von beiden Konfliktparteien zum zentralen Streitpunkt erklärt.
Sicherlich hat die Religion eine gewisse Bedeutung in der
Auseinandersetzung, sie ist aber weder die Ursache des Ausbruchs der
Kämpfe gewesen, noch ist sie dafür verantwortlich, dass die Unruhen
bis heute andauern. Denn auf den Molukken wird Religion
instrumentalisiert und politisiert, um die ständigen Ausschreitungen
zu rechtfertigen. Inzwischen ist die molukkische Gesellschaft
angesichts der zahllosen Opfer und vielen Zerwürfnisse nicht mehr dazu
in der Lage, sich ohne Hilfe von außen zu versöhnen und den
Wiederaufbau zu beginnen. Die indonesische Regierung erwies sich als
unfähig, die Eskalation zu verhindern. Stattdessen haben die Militärs
mit der Verteilung von Waffen und Munition an Konfliktparteien sowie
mit verschiedensten Provokationen zu einer Verlängerung der
Auseinandersetzungen beigetragen.
Trotz der Ankündigung der indonesischen Regierung, mit aller Härte die
Wahrung von Recht und Ordnung durchzusetzen, halten die Kämpfe weiter
an. Das indonesische Militär wird von den Konfliktparteien nicht als
neutrale Kraft angesehen. Eine weitere Eskalation der Gewalt ist
jederzeit möglich. Die Molukker befürchten eine nachhaltige Zerstörung
ihrer Gesellschaft, wenn die internationale Staatengemeinschaft nicht
endlich ihren Druck auf die indonesische Regierung erhöht, um eine
Beilegung des Konflikts durchzusetzen.
Wir Molukker fordern daher die Entsendung von
Menschenrechtsbeobachtern der Vereinten Nationen, des Europaparlaments
und anderer nationaler Parlamente in der Europäischen Union. Nur
internationale Beobachter könnten durch ihre Recherchen von
Menschenrechtsverletzungen dazu beitragen, dass es nicht ständig
aufgrund bloßer Gerüchte über Menschenrechtsverletzungen zu neuen
Auseinandersetzungen kommt. Die ab 20. März in Genf tagende
UN-Menschenrechtskommission soll die indonesische Regierung
nachdrücklich auffordern, endlich den Schutz der Zivilbevölkerung
sicherzustellen, die Verantwortlichen der Menschenrechtsverletzungen
zur Rechenschaft zu ziehen, die humanitäre Versorgung der Flüchtlinge
zu garantieren und die Versöhnung und den Wiederaufbau stärker zu
fördern.
Bislang fehlt es den Flüchtlingen an dringend benötigter Kleidung,
Medikamenten, Nahrungsmitteln und Behelfsbehausungen. Die Europäische
Union sollte ihren großen Einfluss auf die indonesische Politik
nutzen, um in ähnlicher Weise tätig zu werden. Auch sollte sie die
Gelder für den Wiederaufbau und die Aussöhnung erhöhen. Denn eine
weitere Eskalation der Konflikte hätte katastrophale Folgen für den
gesamten südostasiatischen Raum.
--------------------------------------------------------------------------------
Im Namen des "Indonesischen Rates der Kirchen (PGI)", der "Allianz
für die Versöhnung und den Frieden auf den Molukken" und der
"christlichen und muslimischen Gemeinschaft der Molukker in Ambon und
Jakarta" kam Reverend Alexander Pattianakotta im Februar 2000 nach
Europa. Auf Einladung der "Gesellschaft für bedrohte Völker" (GfbV)
traf er wenige Tage vor dem Deutschland-Besuch des Indonesischen
Staatspräsidenten Wahid mit Mitgliedern des Menschenrechtsausschusses
des Deutschen Bundestages und mit dem damaligen Beauftragten für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amtes, Gerd Poppe,
zusammen, um sie über die Hintergründe der Unruhen zu informieren.
|