FAZ 24.6.2000

 

Indonesien isoliert Molukken

Kämpfe zwischen Muslimen und Christen auf den Gewürzinseln

 

Ha. SYDNEY, 23. Juni. Der indonesi­sche Präsident Abdurrahman Wahid hat nach Absprache mit seiner Stellvertreterin Megawati und dem Chef der Streitkräfte, Admiral Widodo, am Freitag Reisen auf die Molukken (Gewürzinseln) untersagt. Allein in dieser Woche sind dort, knapp dreitausend Kilometer nordöstlich von Ja­karta, rund zweihundert Menschen, in der Hauptsache Christen, ums Leben gekom­men. Seit Anfang 1999 hat der blutige Kampf zwischen Muslimen und Christen mehr als zweitausend Todesopfer gefor­dert. Zweihunderttausend Menschen sind obdachlos geworden.

„Auslöser" der Kämpfe war der Streit zwischen einem muslimischen Busfahrer und einem christlichen Passagier, seither folgt die Racheaktion einer Glaubensge­meinschaft auf die vorausgegangene Misse­tat der anderen. Was Grausamkeit und Un­berechenbarkeit anlangt, steht keine Grup­pe der anderen nach. Hatten am Anfang Christen versucht, muslimische Zuwande­rer zu vertreiben, so scheinen letzthin musli­mische Gruppen die Oberhand gewonnen zu haben, jedenfalls auf Inseln wie Halma­hera. Eine entscheidende Rolle spielen die dreitausend Mitglieder der muslimischen Gruppe „Lashkar Jihad", die den „heiligen Krieg" gegen die Christen auf ihre Fahnen geschrieben hat. Angeblich will sie sich um zerstörte Moscheen und Häuser kümmern, ihre Mitglieder aber haben statt Hämmern Macheten und Gewehre und sind in letzter Zeit führend an den blutigen Zusammenstößen beteiligt gewesen. Die Glaubenskrie­ger haben im April ein paar Kilometer au­ßerhalb Jakartas wochenlang den Kampf geübt. Warum die Regierung ihre Reise auf die Molukken nicht verhindert hat, ist bis heute ebenso ungeklärt wie das Maß der Unterstützung, das bekannte Politiker wie Amien Rais, der Sprecher des Parlaments, der fundamentalistischen Gruppe gewäh­ren.

Ob das Reiseverbot viel nützt, ist frag­lich. Die Molukken bestehen aus einigen hundert Inseln, die von gut bewaffneten Ex­tremisten schon jetzt mit Schnellbooten an­gesteuert werden. Die Armee hat 18 000 Soldaten auf den Gewürzinseln, gibt aber zu, dass sie der Lage mangels Schiffen nicht Herr werden kann. Immer wieder kommt es vor, dass christliche und muslimische Sol­daten sich auf die Seite .ihrer jeweiligen Glaubensgemeinschaft schlagen. Und es ist kein Geheimnis, dass indonesische Solda­ten und Offiziere, um ihren Sold aufzubes­sern, Waffen an den Gegner verkaufen. Waffen für die muslimischen Kämpfer sol­len auch aus den südlichen Philippinen, aus Ost-Timor und Aceh kommen. Und noch gar nicht abzusehen ist, was der blutige Konflikt für das Verhältnis zwischen christ­licher Minderheit und der Bevölkerungs­mehrheit im größten islamischen Land der Welt bedeutet. Nicht irgendwer, sondern Verteidigungsminister Juwono Surdasono vermutet hinter den muslimischen Kämp­fern wohlhabende Anhänger des vor zwei Jahren gestürzten Präsidenten Suharto.