FR 8.1.2000

Moslems drohen mit Dschihad

Indonesier protestieren gegen Gewalt auf den Molukken

 

Nach wochenlanger Gewalt auf den Mo­lukken haben am Freitag mehrere 10000 Moslems die indonesische Regierung auf­gefordert, die dortigen Kämpfe zwischen Christen und Moslems zu beenden. Die Kundgebung, die größte seit Amtsantritt der neuen Regierung, fand nach den Frei­tagsgebeten in Jakarta statt. Die Menge rief „Dschihad" (Heiliger Krieg).

 

Die Redner forderten die indonesische Regierung auf, schnell eine Lösung für den blutigen Konflikt zu finden. Anson­sten wollten 10000 Moslems zur Verteidi­gung ihrer Glaubensbrüder auf die Mo­lukken reisen. Auf Spruchbändern hieß es „Wir sind bereit, zur Verteidigung der Moslems auf den Molukken zu sterben". Moslemführer und Parlamentspräsident Amien Rais erklärte, die Gewalt sei eine „Verschwörung", um die indonesischen Moslems zu schwächen. Scharf kritisiert wurde Vizepräsidentin Megawati Sukarnoputri, die von Staatschef Wahid mit der Lösung der Molukken-Krise beauftragt wurde. „Mega, Dein Schweigen ist Gift für Ambon", hieß es auf Plakaten. Demon­stranten forderten den Rücktritt der Vize-Präsidentin. Nach unterschiedlichen Schätzungen gingen zwischen 70000 und 300000 Menschen in Jakarta auf die Stra­ße. Die Kundgebung in der Hauptstadt fiel auf den letzten Tag des islamischen Fastenmonats Ramadan.

Nach Jahrzehnten der Duldung lehnen sich auf den Molukken die eingeborenen Christen gegen moslemischen Siedler auf. Diese immer blutiger werdenden Ausschreitungen haben bislang mehr als 2000 Menschenleben gekostet. Tausende von Häusern, Kirchen und Moscheen wurden angezündet. Die Wut auf Seiten der Chri­sten ist nicht religiös, sondern sozioökonomisch motiviert. Sie wurden nicht nur von moslemischen Siedlern kulturell überfremdet, die Einwanderer auf den Molukken haben auch mit Hilfe Jakartas die wirtschaftliche Macht an sich gezogen. In der indonesischen Öffentlichkeit ist jedoch stets von einem Religionskonflikt die Rede. Unklar ist, wie ernst jetzt der Aufruf zum Dschihad, dem Heiligen Krieg, zu nehmen ist. Der Appell könnte jedoch als Rechtfertigung für die wach­sende Präsenz der Streitkräfte auf den Molukken angeführt werden. Die indone­sische Marine entsandte inzwischen neun Kriegsschiffe in die Region und begann eine Seeblockade. Präsident Wahid wird es in Zukunft schwer haben, die Militärs wieder in die Kasernen zurückzubeor­dern. Indem er eine militärische Interven­tion auf den Molukken billigt, werden ihm nicht viele Argumente bleiben, wenn es um die Militarisierung anderer unruhiger Provinzen geht, um Aceh, um Irian Jaya oder um Sulawesi. Damit haben sich die Streitkräfte wieder durch die Hintertür in die Politik geschlichen, die sie als ein viel zu ernstes Geschäft verstehen, als dass man sie den Zivilisten allein überlassen sollte.                                  (uth/ap/epd)