Nach wochenlanger
Gewalt auf den Molukken haben am Freitag mehrere 10000 Moslems die
indonesische Regierung aufgefordert, die dortigen Kämpfe zwischen Christen und
Moslems zu beenden. Die Kundgebung, die größte seit Amtsantritt der neuen
Regierung, fand nach den Freitagsgebeten in Jakarta statt. Die Menge rief
„Dschihad" (Heiliger Krieg).
Die Redner
forderten die indonesische Regierung auf, schnell eine Lösung für den blutigen
Konflikt zu finden. Ansonsten wollten 10000 Moslems zur Verteidigung ihrer
Glaubensbrüder auf die Molukken reisen. Auf Spruchbändern hieß es „Wir sind
bereit, zur Verteidigung der Moslems auf den Molukken zu sterben".
Moslemführer und Parlamentspräsident Amien Rais erklärte, die Gewalt sei eine
„Verschwörung", um die indonesischen Moslems zu schwächen. Scharf
kritisiert wurde Vizepräsidentin Megawati Sukarnoputri, die von Staatschef
Wahid mit der Lösung der Molukken-Krise beauftragt wurde. „Mega, Dein Schweigen
ist Gift für Ambon", hieß es auf Plakaten. Demonstranten forderten den
Rücktritt der Vize-Präsidentin. Nach unterschiedlichen Schätzungen gingen
zwischen 70000 und 300000 Menschen in Jakarta auf die Straße. Die Kundgebung
in der Hauptstadt fiel auf den letzten Tag des islamischen Fastenmonats
Ramadan.
Nach Jahrzehnten
der Duldung lehnen sich auf den Molukken die eingeborenen Christen gegen moslemischen Siedler auf. Diese immer
blutiger werdenden Ausschreitungen haben bislang mehr als 2000 Menschenleben
gekostet. Tausende von Häusern, Kirchen und Moscheen wurden angezündet. Die Wut
auf Seiten der Christen ist nicht religiös, sondern sozioökonomisch motiviert.
Sie wurden nicht nur von moslemischen Siedlern kulturell überfremdet, die
Einwanderer auf den Molukken haben auch mit Hilfe Jakartas die wirtschaftliche
Macht an sich gezogen. In der indonesischen Öffentlichkeit ist jedoch stets von
einem Religionskonflikt die Rede. Unklar ist, wie ernst jetzt der Aufruf zum
Dschihad, dem Heiligen Krieg, zu nehmen ist. Der Appell könnte jedoch als
Rechtfertigung für die wachsende Präsenz der Streitkräfte auf den Molukken
angeführt werden. Die indonesische Marine entsandte inzwischen neun
Kriegsschiffe in die Region und begann eine Seeblockade. Präsident Wahid wird
es in Zukunft schwer haben, die Militärs wieder in die Kasernen zurückzubeordern.
Indem er eine militärische Intervention auf den Molukken billigt, werden ihm
nicht viele Argumente bleiben, wenn es um die Militarisierung anderer unruhiger
Provinzen geht, um Aceh, um Irian Jaya oder um Sulawesi. Damit haben sich die
Streitkräfte wieder durch die Hintertür in die Politik geschlichen, die sie als
ein viel zu ernstes Geschäft verstehen, als dass man sie den Zivilisten allein überlassen
sollte. (uth/ap/epd)