Die Welt 18.7.2000

Neue Gewaltwelle auf den Molukken

Indonesische Soldaten ergreifen Partei für die Moslem-Milizen - Appell an UNO

Von Manfred Rowold

Hongkong - Teile des indonesischen Militärs haben nach Augenzeugenberichten aktiv auf Seiten moslemischer Milizen in deren Kampf gegen die christliche Bevölkerung auf den Molukken eingegriffen. Die Eskalation des bewaffneten religiösen und sozialen Konflikts findet vor dem Hintergrund wachsender Unzufriedenheit mit der ersten frei gewählten Regierung von Präsident Abdurrahman Wahid statt, die nun fast neun Monate im Amt ist.

Der Hilferuf kirchlicher Organisationen nach einer Intervention der Vereinten Nationen wird unterdessen immer lauter. Bei den jüngsten Kämpfen auf Ambon wurden am Wochenende mindestens zwei Dutzend Menschen getötet und zahlreiche Gebäude zerstört. Hunderte von Flüchtlingen warteten mit wenigen persönlichen Habseligkeiten auf ihre Evakuierung über See. Joko Sumaryono, der Kommandeur der indonesischen Seestreitkräfte, kündigte die Entsendung von mehr Kriegsschiffen zur Unterbindung des Waffenschmuggels in die Region an.

Die Offensive der Moslemmilizen gegen die zum Teil in Bürgerwehren organisierte Christenbevölkerung ist offenbar von langer Hand geplant. Regierungsvertreter in Jakarta beschuldigten Anhänger des 1998 gestürzten Diktators Suharto, mit ihr die Regierung Wahid destabilisieren zu wollen. Verteidigungsminister Juwono Sudarsono sprach von einer Infiltration von 10 000 bewaffneten Moslems aus Java in die Region in den letzten drei Monaten. Zugleich kam es in der jüngeren Vergangenheit zu einem Zuzug zahlreicher Moslemfamilien, der das Bevölkerungsgleichgewicht und das Geschäftsleben zu Ungunsten der Christen veränderte.

Mit fast 200 Millionen Moslems ist Indonesien der größte moslemische Staat der Erde, die zehnprozentige christliche Minderheit konzentriert sich vor allem auf die Molukken, wo sie vor einem halben Jahrhundert erfolglos für eine Sezession kämpften. Seit dem Wiederaufflammen des Konflikts Anfang 1999 sind ihm rund 4000 Menschen zum Opfer gefallen. Fernsehaufnahmen bestätigten, dass am Wochenende reguläre Soldaten an der Seite der Moslemmilizen kämpften und die Milizen mit Armeegewehren ausgerüstet sind. "Bitte, sagen Sie der UNO, sie möge uns helfen. Sie sind die einzigen, die dies hier stoppen können", appellierte ein Sprecher des Protestant Church Hospital in Ambon an die Presse.

Der Weltkirchenrat kündigte an, bei der UN-Menschenrechtskommission in Genf für eine Intervention auf den Molukken zu plädieren. Während seines Australienbesuches sagte US-Verteidigungsminister William Cohen, eine mögliche internationale Intervention solle am besten von Australien koordiniert werden, setze aber eine formelle Bitte der Regierung in Jakarta voraus. Auch ein UN-Sprecher in Sydney erklärte, es gebe noch kein offizielles Hilfeersuchen der indonesischen Regierung.

Artikel erschienen am 18.07.2000