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Zum alten Eisen?

Seit Jahrzehnten arbeiten sie auf der Insel Flores: die beiden aus Europa stammenden Steyler Missionare Pater Ernst Waser und Pater Franz Mészáros. Nun sind sie über 70 Jahre und sollen ihren Platz jüngeren, einheimischen Missionaren überlassen - doch die werden neue Wege gehen und die Arbeit ihrer europäischen Vorgänger nicht fortsetzen.

Eine Kirche und eine Schule zu Ehren des heiligen Klaus von der Flüe und das auf der indonesischen Insel Flores fern der Schweiz, der Heimat von Bruder Klaus - das mag überraschen. Wenn man aber weiß, dass ein Steyler Missionar aus der Schweiz hier seit 27 Jahren wirkt, ist die Überraschung nur noch halb so groß. Pater Ernst Waser hat sich den Heiligen aus seiner Heimat zum Vorbild genommen und damit viele Erfolge verzeichnet.

In der Manggarai, dem Gebiet, in dem Pater Waser wirkt, ist der Boden karg und die Familien sind groß. Bei Zwistigkeiten um die Landverteilung gab und gibt es immer wieder Tote. In dieser Situation nahm sich Pater Waser Bruder Klaus zum Vorbild, den Heiligen, der als Vermittler und weiser Ratgeber Gewalttätigkeit verhindert und das friedliche Zusammenleben ermöglicht hat. Beim Bau der neuen Pfarrkirche von Wangkung nahm er beispielsweise darauf Rücksicht, dass es im Pfarrgebiet fünf Hauptsippen gibt: Für jede Sippe ließ er einen eigenen Eingang in die Kirche bauen. Der Gruppe, die das Land für die Kirche hergegeben hat, gehört der Haupteingang. Über jedem Eingang befindet sich ein kleines, spitzes Dach, wie es in der Manggarai zu den Stammes-Häusern gehört. "Drinnen in der Kirche verstehen wir uns dann aber, da sind wir nur noch ein Volk Gottes", erklärt Pater Waser. Daher gibt es über dem Altarraum ein Dach wie über den Eingängen, mit genug Platz für alle darunter. Im Zentrum ist ein großer Stamm aufgestellt, wie der Baum, der in den Dörfern am Dorfplatz steht und die Wurzeln und das Leben der Gemeinschaft darstellt. An diesem Stamm hängen in den Stammeshäusern die Trommeln und Gongs für Feste und Umzüge - in der Pfarrkirche ist in diesen Baum der Tabernakel eingebaut und aus ihm wächst das Kreuz: der Stamm, der das Leben der Glaubenden sichert. Die Sitze hinter dem Ambo sind alle gleich, der Thron bleibt für den Bischof reserviert. Bei gewöhnlichen Messen setzt sich der Priester wie die Ministranten auf einen der Hocker.

Pater Wasers Konzept nach Nikolaus von der Flüe scheint erfolgreich: "In den letzten 20 Jahren haben wir keinen Totschlag gehabt, wenigstens nicht in unserer Pfarre. Und das ist eine Leistung vom Bruder Klaus!", ist er überzeugt.

Als 50-Jähriger kam Pater Waser nach Flores, nun arbeitet er bereits 27 Jahre hier. Er hat Wasserleitungen und Kanäle gebaut, aber auch Straßen und Schulen. Viele seiner Projekte waren riesig und wurden von der Schweiz und der Weltbank finanziert. Für die vielen Bauprojekte wurden auch Werkstätten eingerichtet, die nicht nur die Bauten billig und effizient durchführten, sondern auch der lokalen Bevölkerung Arbeit boten. Diese Werkstätten sind für Pater Waser außerdem noch ein großartiges pastorales Mittel, weil man auf diese Weise mit den Leuten ins Gespräch kommt.

Bei all den großen Projekten und Arbeiten hat Pater Waser allerdings nicht vergessen, dass es bei der Mission auch darauf ankommt, mit den Menschen und wie sie zu leben. Alle bestätigen, dass er in äußerster Schlichtheit und Bescheidenheit lebt. Doch zu dieser Einfachheit kam auch eine gewisse Sturheit im Durchsetzen seiner Pläne: Wenn weder der Bischof noch die SVD-Provinz mit einem Projekt einverstanden waren, dann organisierte er es eben auf anderen Wegen. Meistens mit Erfolg, wenn auch sehr an seine Person gebunden.

Eine "Ranft" auf Flores

Auch Pater Wasers "Ranft"-Kirchlein ist ein Projekt, das mit seiner Person steht und fällt. In der Nähe der großen "Santo Klaus Schule" von Kuwu sollte ein spirituelles Zentrum für die Friedens- und Vermittlertätigkeit eingerichtet werden. Kuwu war damals die riesige Pfarre von Pater Waser, bevor Wangkung abgetrennt wurde und in Kuwu ein einheimischer Priester die Nachfolge antrat. In einem kleinen Tal steht nun eine sehr einfache, ruhige Steinkirche, die Bruder Klaus gewidmet ist. Dorthin hat Pater Waser seinerzeit die Pfarrwallfahrten geführt und das Leben des Heiligen zur Nachahmung vorgestellt, in seinen Worten und wohl auch in seinem eigenen Lebensbeispiel.

Als wir das "Ranft"-Kirchlein aufsuchen, nehmen wir ein paar Schüler mit. Sie erzählen, was sie von dem Heiligen wissen: Er habe sieben oder zwölf Kinder gehabt und sich dann zurückgezogen. Ein reicher Mann sei er gewesen, dann habe er sich dem Fasten und Beten gewidmet. Das alles wüssten sie allerdings nicht vom Pfarrer, dem Nachfolger Pater Wasers, oder von den Steyler Novizen, die nicht weit von dieser Kapelle wohnen, sondern aus einem Buch. Das ganze Jahr ist niemand mit ihnen zum Beten oder Meditieren hergekommen, nur im Mai oder Oktober kämen sie zur Marienandacht.

Der "Ranft" bleibt ruhig zurück nach dem Ansturm der jungen Truppe. Leider allerdings auch verlassen und vernachlässigt in dem Maß, in dem Pater Waser die Verbindung mit diesem spirituellen Kern nicht mehr sicherstellen kann. Es bleiben die Wunder des Heiligen: das Zusammenleben ohne Totschlag, die Wasserleitungen, die Straßen zwischen den Dörfern, die Werkstätten und Arbeitsmöglichkeiten für die Menschen.

Pater Franz, der Nothelfer

Die Nachricht hat Pater Franz Mészáros hart getroffen: Der Bischof von Ruteng hat beschlossen, dass man ab 70 Jahren keine Pfarre mehr leiten darf. Diese Verantwortung soll von jüngeren Priestern übernommen werden, Priestermangel gibt es ja keinen auf Flores. "Ich gehöre also zum alten Eisen", stellt er enttäuscht und traurig fest. Als ob sein Lebenswerk jetzt in Frage gestellt würde. "Meinst du, ich soll ins Altersheim? Dazu bin ich ja wohl noch zu fit! Ich komm noch ganz gut zurecht hier."

In der Diözese arbeitet er seit 40 Jahren, immer bemüht um ein vorbildliches Leben. Mit vollem Einsatz und nach bestem Wissen und Gewissen hat er verschiedene Pfarren aufgebaut. So auch seine letzte Pfarre Datak im Hochland der Manggarai auf Zentralflores.

Seine Arbeit bestand im Bauen von Kirchen und Kapellen, von Schulen und Werkstätten. Zu seinem Alltag gehörten auch die regelmäßigen Besuche in den Außenstationen. Für viele ist der Pfarrer ein sicherer Nothelfer: von einem guten Ratschlag bis zu Krediten und Arzneimitteln kann man sicher sein, dass einem Pater Franz geben wird, was in seiner Macht steht.

Natürlich hat er in all diesen Jahren allein gearbeitet. Das war aber nur möglich, weil er aus Österreich und seinem Heimatland Ungarn finanziell unterstützt wurde.

Vieles wird sich ändern

Vieles wird sich unter seinem indonesischen Nachfolger ändern. Vielleicht wird das sogar eine Gruppe sein, weil die Mission jetzt eher im Team und als Zeugnis einer Gemeinschaft verwirklicht wird. "Wahrscheinlich werden diese Nachfolger auch weniger Interesse am aufopferungsvollen Arbeiten in den entlegenen Dörfern und den pastoralen Besuchen zeigen", befürchtet Pater Franz. Es ist hart für Pater Franz und seine Generation, sich in die neue Situation einzufinden. Ihr Lebenswerk hat eine ungewisse Zukunft, das Missionsideal hat sich verändert. Der Eindruck vom "alten Eisen" liegt auf der Hand, und er tut weh.

Aber Pater Franz hat schon oft große Veränderungen mitgemacht und er hat das spirituelle und existentielle Zeug, um auch diese neue Herausforderung annehmen zu können.

© P. Christian Tauchner SVD - STADT GOTTES Mai 2005