Quelle: Deutsches Weltgebetstagskomitee - Weltgebetstag 2000 - Indonesien S. 154-155


Ikat Weberei in Indonesien

Die unterschiedliche Siedlungs-und Handelsgeschichte brachte die Menschen auf den Inseln mit verschieden Techniken der Textilherstellung und Musterung in Berührung Aus dem Zusammentreffen entwickelte sich im Laufe der Zeit das Ikatten. ( Ikatten ist die indon. Bezeichnung für abbinden, abdecken) In den abgelegenen Gebieten hielten die Bewohner noch lange Zeit am Zwirnflechten aus Baumbast fest. Die alten Webgeräte mit Rückengurt und Joch werden mit nur ganz geringen Veränderungen bis heute verwendet. Gerade deshalb ist es erstaunlich, welch unterschiedliche Materialien auf diese Weise verarbeitet werden können.

Es gibt drei Arten von Ikatweberei: der Kettikat, der Schußikat und der Doppelikat. Beim Kettikat, der verbreitesten Art, wird das Muster auf die Kettfäden aufgebracht. Dies geschieht durch Abbinden der einzelnen Fäden mit Bast oder Kokosfasern. Beim Schußikat geschieht dies auf den Schußfaden, beim Doppelikat werden sowohl Kett- als auch die Schußfäden abgebunden und gefärbt. Diese höchste Kunst, aber auch die anderen Arten, verlangt von den Frauen eine unglaubliche Präzision beim Abbinden und anschließendem Färben Die Klarheit der Muster wird mit speziellen Abbindeknoten erzielt, da verhindert werden muß, daß Farbe unter die Knoten gelangt. Aufzeichnungen gibt es nicht,das Wissen wird von der Mutter auf die Tochter weitergegeben.

Der anschließende Färbevorgang wird häufig wiederholt, damit die Farben kräftig werden. Besonders wichtig ist das beim Färben mit Indigo, denn nur eine tiefblaue Farbe macht den Wert des Webstückes aus. So kann es Jahre dauern, bis ein tiefblaues Männertuch in seiner speziellen Musterung fertiggestellt ist. Leider verdrängen Anilinfarben in zunehmendem Maße die Naturfarben, deren Zubereitung sehr aufwendig ist, und von Bodenbeschaffenheit und Witterungseinflüssen abhängig ist. Während der Trockenzeit kann nicht gefärbt werden, die erforderlichen Blätter, Wurzeln usw. wachsen nicht. Die Folge ist, das Wissen um das Färben verliert sich. Intensität, Ausdruckskraft und Schönheit der Naturfarben, sind mit Anilinfarben jedoch nicht erreichbar.

Das Weben ist reine Frauensache, und war in früheren Zeiten eine rituelle Handlung. Im sozialen und kulturellen dörflichen Leben spielte sie eine herausragende Rolle.Die bequemere Art, die Farbe zukaufen, mindert auch die Qualität der Tücher, sie werden teilweise nur noch als Dekoration verstanden. Der steigende Tourismus führt zunehmend zu industrieller Fertigung.

Die ursprünglichen Schutzfunktionen der Muster gegen böse Geister und Krankheiten, die altersher in der matrizentrischen Gesellschaft eine große Rolle spielten, gingen damit weitgehend verloren. Die Herstellung eines Sarongs, reduziert sich auf die Fertigung eines Textils. Die Baumwolle, die früher nur zu bestimmten Sonn- und Mondständen gepflanzt und geerntet wurde, damit Gottheiten gnädig gestimmt, den Ahnen die entsprechende Ehre erwiesen wurde, wird größtenteils maschinell hergestellt. Durften die Frauen früher während ihrer Menstruation weder bei Aussaat noch Ernte mitarbeiten - Körperflüssigkeit galt als unrein - sind diese alten Bräuche zu großen Teil verloren gegangen. Auch die alten Riten beim Spinnen und Weben, werden kaum noch beachtet. Trotz dieses Wandels, werden in den meisten Sippen noch die alten Muster geikattet. Der Mißbrauch von Mustern durch niedrigere Kasten wurde einmal mit dem Tod der Weberin geahndet. Der Einfluß der Industrialisierung durch die Kolonialmächte trug erheblich zum Verlust der alten Traditionen bei. Trotz dieser Veränderungen spielt der Sarong heute noch als Hochzeitsgabe und Familienschatz, sowie bei Zeremonien, eine große Rolle.An manchen solcher Sarongs arbeitet eine Frau auch heute noch 7 bis 8 Jahre. Auf Sumatra, bei den Minangkabau , einem der letzten Matriarchate der Welt, finden wir auch heute noch die Kunst der Seidenikat-Weberei, ebenso wie in Teilen Sulawesis. Diese Tücher sind von unvorstellbarer Schönheit und werden hauptsächlich als Hochzeitsschals verwendet.

Der Einfluß der verschieden Religionen darf nicht übersehen werden. So brachten der Hinduismus, Buddhimus, der Islam und nicht zuletzt das Christentum einen Wandel in den Mustern der Tücher.

Hatte sich der aus Indien gekommene Hinduismus noch mit den vorgefundenen Naturreligionen vermischt, veränderte der später sich rasant ausbreitende Islam die ursprünglich den weiblichen Gottheiten zugeordneten Muster zu Symbolen männlicher Macht.

Die Rolle der Frau wurde eine Andere. In der matrizentrischen Kultur galt sie als Bindeglied zwischen den weiblichen Gottheiten, den Ahnen und den Menschen. Die Wertschätzung zeigte sich in den Mustern der Sarongs. So wurde sie als Schöpferin des Lebens in Form von Dreiecken, Zeichen des Weiblichen, der Vulva, dargestellt. Auch Ring-Kreis-und Spiralmuster symbolisierten die Schöpferkraft sowie die Lebens- und Schicksalsverbundenheit. Auch die Gebärhaltung fand sich in den Mustern der Frauen-Sarongs wieder, heute noch in abstrahierter Form in Mittel-Flores. Einzigartig sind dort die dreiteiligen Ikatsarongs der Frauen. Sie bestehen aus zwei Kopfteilen (Kepala) durch Ikatstreifen getrennt vom Mittelteil,das meist ein Rauten- oder Floralmuster zeigt. Die Art, wie der Sarong getragen wird, zeigt dann den jeweiligen Anlaß.

Das Christentum mit seiner den Körper eher negierenden Einstellung, hat eine zunehmende Verbreitung von christlichen Symbolen gebracht.

Bärbel Wallner

Literatur:

„Indonesische Textilien, Wege zu Göttern und Ahnen", in: Ethnologica NF, Bd. 10, 1984

Carola Meier-Seethaler, Von der göttlichen Löwin zum Wahrzeichen männlicher Macht, Kreuz-Verlag 1993