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Transmigrasi

1. Einleitung
Die Republik Indonesien in Südostasien umfasst eine Fläche von 1,9 Millionen km² und hat etwa 200 Millionen Einwohner, größtenteils islamischen Glaubens. Die Hauptstadt ist Jakarta auf der Insel Java. Indonesien ist ein Inselstaat mit rund 13.677 Inseln, davon sind aber nur 6000 bewohnt. Die größten Inseln sind Sumatra, Irian Jaya und Borneo.
Ein Hauptproblem Indonesiens ist die extrem unausgewogene Bevölkerungsverteilung. Einerseits leben auf der übervölkerten Insel Java, einschließlich der Nachbarinseln Madura und Bali, 800 Einwohner pro km². Somit zählt sie zu den am dichtesten besiedelten Agrarregionen der Welt. Andererseits sind die Außeninseln mit durchschnittlich 40 Einwohnern je km² über weite Strecken unbewohnt. So gab es auf den überbevölkerten Inseln eine große Zahl von Unterbeschäftigten bei weitgehend erschöpften natürlichen Ressourcen, auf den wenig bewohnten Außeninseln dagegen ein Überangebot an Land und Rohstoffen aber ein Mangel an Arbeitskräften. Der Gedanke der Notwendigkeit einer Dezentralisierung lag folglich nahe.

2. Allgemeines / Geschichte
Was heißt Transmigrasi? Das Wort stammt aus dem Lateinischen „transmigrare“ übersiedeln und Transmigrasi heißt „die Umzusiedelnden“.
Bereits unter holländischer Kolonialherrschaft begann man 1905 mit Umsiedlungsaktionen. Bis 1941 waren 66.000 javanische Familien betroffen. Unter Sukarno wurden knapp 100.000 Familien umgesiedelt und unter seinem Nachfolger Sukarto waren es 120.000. Erst mit massiver internationaler Unterstützung, vor allem durch die Weltbank, gelang es in den Jahren 1980-84 366.000 Familien umzusiedeln. Insgesamt waren bis 1989 3,7 Millionen Menschen von der Umsiedlung betroffen.
Man unterscheidet 3 Gruppen von Transmigranten:

1. Die vom Staat voll unterstützten „transmigrasi umum“,

2. die sogenannten „spontanen Transmigrasi“ („transmigrasi swakarsa“), die vom Staat nur ein Stück Land, aber keine weiteren finanziellen Hilfen erhielten und

3. die spontanen oder „autonomen“ Pioniersiedler, die außerhalb staatlicher Kontrolle vor allem Sumatra überschwemmen.

So schätzt man die tatsächliche Zahl der Umsiedler um ein Mehrfaches als nach offiziellen Angaben.
Hauptzielgebiet der Transmigranten ist vor allem die Insel Sumatra, die räumlich nah an Java liegt und eine relativ gut entwickelte Infrastruktur aufweist. Weitere Zielgebiete sind Kalimantan, der indonesische Teil Borneos, Sulawesi (Celebes) und die Westhälfte von Neu Guinea.
Die Regierung bietet den Umsiedlern ein einfaches Holzhaus mit einem 50x50m großen Garten an, ein 1ha großes gerodetes Land und die Option auf ein 0,75ha großes, meist unerschlossenes „Außenfeld“ an der Peripherie. Außerdem erhält jeder Haushalt eine Grundausstattung an landwirtschaftlichen Produktionsmitteln und Nahrungsmittelrationen für ein bis zwei Jahre.

3. Ziel und Realisierung der Transmigration

a) Abbau des Bevölkerungsdrucks auf Java
Ursprünglich sollte durch die Transmigration der Bevölkerungsdruck, vor allem auf Java, abgebaut werden.
Immerhin wächst die Bevölkerung in Indonesien pro Jahr um fast 4 Millionen Menschen. Sogar in den Jahren 1980-84, während des Höhepunkts der Umsiedlung wuchs die Bevölkerung Javas mit 8,9 Millionen, immer noch um das sechsfache der Umsiedler an. Somit erschien das Ziel zunehmend unrealistisch.


b) Regionale Entwicklung der Außeninseln
Da die Lösung des Bevölkerungsproblems also nicht möglich schien, suchte man für die Transmigration eine neue Legitimation. Diese fand man in den 70er Jahren in der „regionalen Entwicklung der Außeninseln“. Es bestand in den 60er Jahren ohnehin in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit der Trend zu integrierten regionalen Entwicklungsprojekten. Regionale Disparitäten sollten abgebaut werden und periphere Regionen in den Wirtschaftskreislauf der Zentren eingebunden werden. Da schien die Transmigration geradezu geeignet.
Da dies auch eine Verlagerung politischer Entscheidungsbefugnisse von Jakarta auf die Provinzen mit sich zog, hatten plötzlich auch die Provinzgouverneure großes Interesse an den Umsiedlungsprojekten. Vorher zeigten sie sich dem Transmigrantenstrom eher zurückhaltend. Schließlich flossen reichlich Mittel aus Jakarta in die Außengebiete, die vor allem der Infrastruktur zugute kamen.

c) Integration ethnischer Minderheiten und politisch-strategische Sicherung von Grenzgebieten
Ein weiteres Ziel der Transmigration war aber auch unter dem Schlagwort „national building“ der Ausgleich von politisch und ethno-kulturellen Disparitäten. Die Umsiedlung sollte entscheidend dazu beitragen, das Vielvölkerkonglomerat des Archipels zu einer einzigen, indonesischen Nation zu verschmelzen. Gelungen ist diese Vorhaben jedoch erst in der Provinz Lampung im Süden Sumatras, wo die Javanen inzwischen eindeutig die Mehrzeit bilden. Außerdem leugnet die Regierung nicht, dass die Transmigration auch zur Stärkung der nationalen Sicherheit beiträgt. So werden auch Armeeveteranen („transmigrasi veteran“) in strategisch sensiblen Regionen angesiedelt.

4. Die Auswirkungen der Transmigration

a) Vernichtung der Regenwälder
Kritiker des Transmigrationsprogramms beklagen vor allem die Zerstörung des tropischen Regenwaldes (700.000 Hektar jährlich). Allerdings stützt sich diese Zahl auf die Regierungspläne, die ja nie verwirklicht worden sind. Tatsächlich dürfte durch das Transmigrasi-Programm in seiner 85 jährigen Geschichte nicht mehr als 1,0 Millionen Hektar Regenwald zum Opfer gefallen sein. Das sind ansgesichts des gesamten indonesischen Waldbestandes von 114 Millionen Hektar weniger als 1%. Hinzu kommen jedoch noch die Waldzerstörungen durch die spontanen und autonomen Umsiedler. Die Schuld kann nicht allein den Transmigrasi gegeben werden. Gerade erst letzte Woche berichtete Fronal21 von immensen illegalen Abholzungen und der Ausfuhr der Hölzer nach Europa (à DB, gefälschte Zertifikate)
Inzwischen versucht man sekundäre Busch- und Grasareale für Transmigranten zur Verfügung zu stellen. Was ökologisch zwar sinnvoll erscheint, aber Probleme bezüglich der tradierten („überliefert“, „weitergegeben“) Besitzansprüche der einheimischen Bevölkerung bewirkt. Da die Bevölkerung auf Java rasant anwächst und dort die Ausbeutung der letzten Bodenreserven ökologische Probleme aufwirft, ist die Forderung nach totalem Schutz der Regenwälder äußerst fragwürdig.

b) Unangepasste Landwirtschaft
Ein weiteres Problem sind die oft nicht standortgerechten Produktionsformen, die Schäden für die Umwelt bewirken. Die meisten Ländereien, die von den Übersiedlern genutzt werden, liegen in den dauerfeuchten Tropen, mit nährstoffarmen Böden somit für die Landwirtschaft eher ungeeignete Zone. Andererseits sind die wenigen geeigneten Böden (Gunsträume) natürlich längst von den Einheimischen besetzt.
So wurde lange von den asiatischen Umsiedlern häufig der Brandrodungswanderfeldbau angewandt und der permanente Trockenfeldbau mit Trockenreis, Mais und Maniok als Leitkulturen. Diese Anbauform führt rasch zu einer Degradation und Erosion der Böden und zu einem rapiden Ertragsabfall. In Eigenverantwortung und harter Arbeit ist es javanischen Bauern inzwischen gelungen, standortgerechte Anbauformen in ihre Betriebssysteme zu integrieren. Sie haben zusätzlich Obstbäume, Bananen, Kokospalmen und andere Baum- und Strauchkulturen angebaut.
Daneben gibt es Ansätze von Nassreisanbau. Teilweise besitzen die Siedler auch 1-2 Rinder, die neben Fleisch und Zugkraft auch Dünger für die nährstoffarmen Böden liefert.

c) Verarmung der Umsiedler
Kritiker glauben, dass sich durch die Transmigration die Armut Javas nun auf die Außeninseln verlagert habe. Tatsache ist, dass die Projekte nach 2 Jahren zwar ein Tiefpunkt erreichen, aber sich nach 10 bis 20 Jahren die Situation der Umsiedler stabilisiert hat. Kritisch wird es aber wieder für die Nachkommen, da 2,0ha Land keine ausreichende Lebensgrundlage bietet.
Insgesamt gesehen hat sich aber der Lebensstandard der Umsiedler nicht verschlechtert, wenn man bedenkt, dass sie in ihrem Herkunftsland den untersten Einkommensschichten angehörten.

d) Interethnische Konflikte und Zerstörung lokaler Kulturen
Auf dem extrem dünn besiedelten Irian Jaya leben etwa 1 Millionen Pamuas, die dem melanesischen Kulturkreis angehören und sich ethnisch und kulturell stark von der malayischen Mehrheit abheben.
Bei einer Ansiedlung von geplanten 700.000 Javanen wären die Papuas zu einer Minderheit in ihrer eigenen Region degradiert worden. Obwohl nur 10.000 Familien umgesiedelt wurden, soll es 1986 dennoch zwischen Papuas und Javanen zu Konflikten gekommen sein. Mittlerweile kommt es dort aber fast täglich zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen West-Papuas einerseits, der indonesischen Polizei, dem Militär und zugewanderten Transmigrasi andererseits. Die Papuas drängen auf ihr Recht zur Selbstbestimmung. Nach jahrelanger Unterdrückung entladen sich nun Wut und Hass.
Im Februar 2001 kam es auch auf Kalimantan zu Kämpfen (500 Tote, 50.000 Flüchtlinge) zwischen den einheimischen „Dayaks“ und den Transmigrasi von Madura. (Hütten verbrannt um den anderen nichts zu hinterlassen; Schiffe etc.)
Auf Sumatra ging es bei vereinzelten Streitfällen meist um Landbesitz. Andererseits profitierten die einheimische Kleinbauern auch von dem Zustrom billiger Saisonarbeitskräfte und die lokale Bevölkerung findet z.B. in Dienstleistungsbetrieben alternative Beschäftigungsmöglichkeiten.

5. Schluss
Zusammenfassend gesehen kann man kein Urteil über Erfolg oder Misserfolg der indonesischen Transmigration abgeben. Den nicht zu leugnenden Fehlleistungen stehen vor allem die Verbesserung der Lebenssituation von Millionen Javanen und der Ausbau der Infrastruktur in den Außengebieten gegenüber. Eine abschließende Beurteilung ist auch deshalb nicht möglich, weil man immer noch mit einer riesigen Welle von spontanen Pioniersiedlern rechnet, mit unübersehbaren ökonomischen, sozialen und ökologischen Konsequenzen.