Hamburgisches

Museum

für Völkerkunde

Indonesien —
Inseln Südostasiens
HMV 2.1.3

 

Die Batak:
Bauern auf Sumatra

Ungefähr 82% der Bevölkerung Indonesiens leben heute noch in ländlichen Siedlungen. Am Beispiel der Batak, einem Bauernvolk auf der Insel Sumatra, soll das Leben in einer Dorfgemeinschaft dargestellt werden.

Die Batak bewohnen die Bergländer rund um den Toba-See im Norden der Insel Sumatra. Die von Westen nach Osten abfallende Hochfläche aus Tuffstein wird von langen Vulkanketten durchzogen. Die dazwischenliegenden fruchtbaren Talzonen sind das Siedlungsgebiet der Batak. Dieser geographischen Lage wegen entwickelten sie sich im Verlauf ihrer Geschichte zu eigenständigen Stämmen.
Die meist christlich missionierten Gruppen der Toba, Karo, Pakpak und Simalungun führen sich ebenso wie die islamisierten Angkola und Mandailing auf einen gemeinsamen Vorfahren, Si Raja Batak, zurück. Die Angkola und Mandailing werden zwar noch zu den Batak-Gruppierungen gerechnet, haben aber neben der anderen Religion auch gesellschaftlich noch stärkere Abweichungen aufzuweisen als die kulturell ebenfalls keine Einheit mehr bildenden restlichen Batakstämme.
Sprachlich gehören die 1974 auf 3 Millionen geschätzten Batak zur austronesischen Sprachfamilie. Vor Jahrhunderten erfuhren sie eine starke Einwirkung hindu-indonesischer Kultur. Davon zeugt noch heute ihr Schriftsystem nach indischem Vorbild.
Die Batak sind Bauern. Wirtschaftliche Grundlage ist früher wie heute der Reisanbau in bewässerten und an Berghängen terrassierten Feldern. In weniger wasserreichen Gebieten werden Trockenreis, Süßkartoffel, Maniok und Mais angebaut. Haustiere sind Wasserbüffel, Pferd, Rind, Schwein, Hund und Huhn. Erst durch die holländische (seit ca. 1880) entstanden Städte und Straßenbau und dadurch eine dünne Schicht Gewerbetreibender. Die ebenfalls von den Holländern im Batakgebiet angelegten Plantagen wurden allerdings ursprünglich von javanischen Kulis bearbeitet, da die Batak als selbständige Reisbauern sich zu derartigen Diensten nicht heranziehen ließen. Heute arbeiten auch Batak im Plantagenanbau, dessen Schwerpunkt neben Palmöl vor allem die Kautschukgewinnung ist. Tabak- und Teeplantagen spielen für den gesamtindonesischen Export dagegen keine bedeutende Rolle. Der Tourismus am Toba-See bietet neue Erwerbsquellen.
Den stärksten Wandel erfuhr die Batakkultur durch die Missionierung. Die Toba, die zahlenmäßig größte Gruppe, z. B. wurden ab 1861 von der Rheinischen Missionsgesellschaft christianisiert und haben heute eine eigene evangelische Volkskirche. Nach dem Kommen der Missionare wurde die für Religion und Kunst prägende Ahnenverehrung in den Hintergrund gedrängt.
Das landwirtschaftlich intensiv genutzte Batakland kann die seit der Jahrhundertwende ums Doppelte angewachsene Bevölkerung nicht mehr ernähren. Deshalb kam es in den letzten Jahrzehnten zu einer starken Abwanderung vor allem der Toba nach West-Sumatra und Java. Die in guten Schulen Ausgebildeten sind heute in höheren Positionen von Militär, Wirtschaft und Verwaltung der indonesischen Zentralregierung. Als Theologen, Ärzte und Juristen kehren sie z. T. in ihr Herkunftsgebiet zurück und beschäftigen sich als Wissenschaftler und Schriftsteller mit ihrer eigenen Kultur.

Siedlung und Haus
Jedes Dorf der Batak ist eine Welt für sich: eine Gruppe von Häusern war und ist teilweise noch heute von einem hohen Erdwall oder einer dichten Bambushecke umgeben. Die kleine Eingangspforte wurde nachts geschlossen. Wegen der häufigen Fehden zwischen den Dörfern waren derartige Befestigungen notwendig.
Alle traditionellen Häuser haben einen rechteckigen Grundriß, Pfahlbaukonstruktion und reich beschnitzte und bemalte Giebelfronten. Das aus Palmstroh gefertigte Walmdach der Karo unterscheidet sich durch die am Giebel befestigten Büffelhörner vom Satteldach der Toba.
Zwischen den Pfosten des alten Batakhauses war der Platz der Haustiere, im nicht unterteilten Raum darüber wohnten die Menschen und unter dem Dach wurden die Ahnenfiguren verwahrt. Diese Dreiteilung erinnert an die alten Glaubensinhalte der Batakreligion mit Unter-, Mittel- und Oberwelt.
Die wichtigste politische Einheit der Batak ist auch heute noch das Dorf, in dem eine überwiegend modern-nere und vor allem billigere Bauweise Eingang gefunden hat. Die traditionellen Häuser überläßt man auf der Insel Samosir im Toba-See häufig den Touristen als Bleibe.


Soziales Leben
Jeder Batakstamm gliedert sich in eine Anzahl von Verwandtengruppen — marga. Die darin verbundenen Sippen führen sich auf einen gemeinsamen Ahnherrn zurück. Es besteht striktes Heiratsverbot zwischen Angehörigen einer marga. Die Männer, die im Sippenverband wohnen bleiben, holen ihre Frauen aus einer anderen marga. Die Kinder gehören zur Sippe des Mannes. Die marga-Bezeichnung wird von den Toba heute als Familienname geführt.
In erster Linie ist die marga eine Kult- und Opfergemeinschaft, die auch nach der Missionierung bestimmte Aufgaben erfüllt.
Ein Nachkomme aus der marga des Dorfgründers wird von den Oberhäuptern der übrigen im Dorf ansässigen marga zum Dorfoberhaupt gewählt. Zu den Aufgaben der Ältesten einer marga und des Dorfoberhauptes gehören das reibungslose Funktionieren der Dorfgemeinschaft, die Schlichtung kleinerer Streitigkeiten und die Einhaltung des Gewohnheitsrechts - adat - durch die Dorfbewohner.
Der Priester — datu — der Zeit vor Ankunft der Missionare war früher neben dem Dorfoberhaupt die wichtigste Person in der Gesellschaft der Batak. Er spielt auch heute noch als Orakeldeuter und Krankenheiler eine bedeutende Rolle.


Alte Religion
Die Batak sind heute Christen oder Moslems. Auch in vormissionarischer Zeit glaubten sie schon an ein Leben nach dem Tode und an die Macht von Göttern und Schutzgeistern, zu denen die Totenseelen geworden waren. Aus dem vor einem Jahrtausend auf Sumatra vorherrschenden Hinduismus waren neue Elemente in die Glaubensvorstellungen übernommen worden.
Der Glaube der Toba-Batak kannte eine Ober-, Mittel- und Unterwelt. Oben wohnten die Götter, in der Mitte die Irdischen, und darunter hauste ein Drache. In einem dreiphasigen Schöpfungsakt schufen Mula Jadi und seine Abkömmlinge diesen Kosmos. Die Welt entstand in der 2. Schöpfungsphase. Die Batak, Geschöpfe der 3. Phase, stammen von Si Raja Batak ab, dem Stammvater. Alle anderen Menschen waren Abkömmlinge der Brüder und Vettern des Si Raja Batak.
Neben den Göttern der Oberwelt gab es eine Anzahl von Schutzgottheiten in Tiergestalt. Beispielsweise in Gestalt einer Eidechse lebte Boraspati, der Wohlstand und Fruchtbarkeit brachte. Die Wasserschlange kontrollierte die Wasserkräfte und war deshalb für die Fischer von besonderer Bedeutung.

In den Glaubensvorstellungen der Toba-Batak wurde die Seele eines Menschen nach dessen Tode zu einem Totengeist — begu. Wurde er durch Opfer und Gedenkfeste verehrt, so brachte dieser begu Glück und Wohlstand, andernfalls bestrafte er Nichtbeachtung mit Krankheit und Tod.
So waren die Söhne von großer Bedeutung; denn männliche Nachkommen waren zum Dienst an den Ahnenseelen verpflichtet. Als Wohnsitz solcher Totenseelen fertigten die Batak zahlreiche Holzfiguren, die sie im Hause aufstellten.


Zauberpriester
Der datu — Zauberpriester — hat auch heute noch — regional unterschiedlich — als Zeremonienmeister, Krankenbeschwörer und -heiler, in der Wahrsagerei sowie Orakel- und Vorzeichendeutung eine bedeutende Stellung im Dorf. Ais Kenner und Lehrmeister des Stammesrechts — adat — steht er dem Dorfoberhaupt bei wichtigen Entscheidungen ranggleich zur Seite. Seine Rolle als Mittler zwischen Gott und Mensch hat er allerdings mit der Islamisierung bzw. Christianisierung der Batakstämme verloren.
Sein Wissen vermittelt der datu einer kleinen Anzahl von Lehrlingen in jahrelanger Schulung. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Erlernen der Batakschrift und dem Lesen der Zauberbücher zu. Diese beinhalten das Wissen eines Priesters und werden vertrauenswürdigen Lehrlingen zum Kopieren überlassen. Der Grund dafür liegt u. a. in den darin niedergeschriebenen magischen Formeln, die den Erfolg bei weißer aber auch bei schwarzer Magie garantieren sollen.
Zu den Aufgaben des Zauberpriesters gehört auch der Kontakt mit den Totengeistern. Diese sprechen aus dem Mund eines in Trance versetzten Mediums oder durch ihn selbst zu den Lebenden.
Die so bekanntgewordenen Orakel, Deutungen oder Ratschläge haben in der Dorfgemeinschaft immer noch entscheidendes Gewicht.

Zauberbuch eines Priesters aus Baumrinde; Museum für Völkerkunde Hamburg


Schrifttum
Zum Gerät eines Priesters gehörten neben dem Zauberstab vor allem die Zauberbücher. Nach der Überlieferung der Toba übergab der Schöpfergott Mula Jadi den Urahnen zwei solche Bücher. Das eine enthielt Orakeldeutungen, das andere die übrigen Priesterlehren. Jeder Priester hatte solche Bücher, die er weitervererbte.
Die Bücher wurden aus der Rinde eines bestimmten Baumes gefertigt. Sie wurde glatt geschabt, in der gewünschten Breite zugeschnitten, mit Reismehl-Kleister bestrichen und gefaltet. Geschrieben hat man mit einem Bambusstäbchen; als Tinte benutzte man mit Ruß vermischten Saft von eingeweichter Rinde. Die Schrift der Batak geht auf indische Vorbilder zurück, aus denen eigene Schriftzeichen entwickelt wurden.
Die Batakschrift wurde nicht nur im sakralen, sondern auch im täglichen Leben genutzt. Liebeslieder, Erzählungen und Mitteilungen ritzte man mit dem Messer in Bambusstücke. Heute schreiben die Priester ihre magischen Formeln auf Papier und in lateinischer Umschrift und Laien ihre Liebesbriefe auch nicht mehr auf Bambusstücke. Batak-Wissen-schaftler und -Schriftsteller verfassen heute Bücher und Aufsätze über ihre eigene Kultur und Geschichte.


Masken und Musik
Bei Begräbnisfeiern für Adlige oder einflußreiche Persönlichkeiten fertigten die Toba- und Simalungun-Batak bestimmte Masken. Sie wurden von Männern und Knaben vor dem Haus des Toten angelegt. Bei der Überführung des Sarges zum Grab gingen die Maskierten tanzend vor dem Trauerzug her. Mit hölzernen Händen wurden typische Bewegungen des Verstorbenen nachgeahmt.
Die Herstellung der Masken war Priestern vorbehalten, da sie als sakrale Gegenstände galten. Die Masken wurden nur einmal benutzt und nach ihrer Verwendung auf dem Grab zurückgelassen. Die heute christlichen Toba und Sima-lungun stellen keine Masken mehr her.

Getanzt wird bei den Batak jedoch auch heute noch bei allen Dorffesten und privaten Feiern. Dabei tritt noch häufig das traditionelle Batak-Orchester auf. Die Instrumentierung besteht - regional unterschiedlich - vor allem aus Oboe, Flöte, Gongs und Trommeln. Das wichtigste Instrument ist die Oboe, da sie die Melodie spielt. Das Musizieren ist Aufgabe der Männer, getanzt wird von beiden Geschlechtern.


Waffen und Krieg
Die reich geschmückten Waffen der Batak waren im allgemeinen keine Kriegsinstrumente. Sie kennzeichneten die kultische oder politische Bedeutung ihrer Träger (Priester oder Häuptling). Die Elfenbein-, Messing-, Horn- oder Holzgriffe von Messern, Schwertern, Säbeln und Dolchen wurden mit Ahnenfiguren verziert. Im Krieg verwendete man unverzierte Schlag- und Stichwaffen und — nach Ankunft der Europäer - auch Gewehre.
Häufigste Kriegsursache waren Spielschulden. Hatte ein Mann im Spiel verloren und bezahlte seine Schulden nicht rechtzeitig, konnte ihn sein Gläubiger gefangennehmen. Verweigerte jedoch der Häuptling des Schuldners dessen Auslieferung an das Dorf des Gläubigers, kam es zum Krieg:
Die mit dem Häuptling befreundeten Nachbardörfer brachen jeglichen Kontakt mit dem Dorf des Gläubigers ab; dessen Häuptling wiederum tat sich mit Gleichgesinnten zusammen. Ein zeremonielles Festessen beschwor die Waffenhilfe oder zumindest die Neutralität der Gäste. Die Dörfer wurden mit Palisaden befestigt, Lanzen und Pulver hergestellt.
Beide Seiten versuchten nun, Gefangene unter den Bauern während der Feldarbeit zu machen. Häuptlinge, Frauen und Kinder blieben verschont.
Nach manchmal jahrelangem Gefangennehmen und Gefangenenaustausch, wenn keiner mehr sich auf die Felder wagte, kam es zum offenen Kampf. Überfälle auf die Dörfer endeten bei den Toba mit deren Zerstörung. Schließlich halfen die neutralen Häuptlinge bei der Friedensvermittlung.
Andere häufige Kriegsgründe waren Grenzstreitigkeiten oder Machtkämpfe der Häuptlinge. Mit beginnender Kolonialisierung und Missionierung wurden die Batak zu friedlicherem Verhalten gezwungen. Spiele wurden verboten und die Macht der Häuptlinge teilweise drastisch gebrochen. Heute sind die traditionellen Waffen fast nur noch in Museen zu finden. Clara B. Wilpert


Literaturhinweise
Agthe, J.
1979
Arm durch Reichtum. Sumatra. Ein
Insel am Äquator. Frankfurt
Imber, W. und Uhlig, W.
1973
Indonesien. Bern-Wien
Manik, L.
1973
Batak-Handschriften. Wiesbaden
Singarimbun, M.
1975
Kinship, Descent and Alliance
among the Karo-Batak, Berkeley
(Singarimbun ist selbst Batak)

 

Herausgegeben vom Muse ums pädagogischen Dienst der Kulturbehörde und den Hamburger Museen in Zusammenarbeit, mit der Staatlichen Pressestelle. Hamburg 1980