Augenzeugen - Berichte ehemaliger Gefangener |
Nach einigen Recherchen im Internet fand ich 2 Berichte von ehemaligen Kriegsgefangenen, die in das Lager in Meschede eingeliefert wurden.
Der erste Bericht stammt von Baron Richardson Racey, der in der kanadischen Armee diente und 1915 vor Ypern in Gefangenschaft geriet und u.a. in das Lager Meschede kam.
Der zweite ist von M. Charrier ('Notre Evasion d’Allemagne'), der bereits 1914 als Gefangener nach Meschede kam.
Beide Berichte schildern ungeschminkt den Lageralltag. Sie sind auch ziemlich spannend, da beide Gefangene später aus den Lagern fliehen konnten und ihre Flucht tagebuchähnlich schildern. Und außerdem spürt man - vor allem im Bericht des Kanadiers - trotz allen Elends einen bissigen Humor.
Ich werde auf dieser Seite nur Auszüge bringen, die unmittelbar mit dem Lager Meschede zu tun haben. Man kann aber auch den ersten kompletten Original-Bericht über einen Link aufrufen; der zweite ist leider nicht mehr online.
Kriegsgefangenentransport 1914 in der Bahnhofstraße
Meschede
(Foto: Schmidtmann)
RICHARD RACEY: WW1 Escape Recipe - Stealth, Torn, Trousers and Skinny Dipping in the Dark
Quelle: http://www.hellfirecorner.co.uk/racey.htm
[Übersetzung: H.-P. Grumpe]
Vorwort von Richard Racey:
Dies sind die persönlichen Erfahrungen meines Vaters, Baron Richardson Racey während des Ersten Weltkriegs. Er war vierundzwanzig Jahre alt, als er in der kanadischen Armee in der Nähe von Ypern 1915 diente. Er wurde von den Deutschen festgenommen und in eine Reihe von Kriegsgefangenen-Lagern in Deutschland gesandt. Er flüchtete zusammen mit drei Mitgefangenen, und sie schlugen sich über den Fluss Ems nach Holland durch. Die meiste Zeit war er im Stande, ein Tagebuch zu führen, von dem er später in seinem ursprünglich maschinegeschriebenen 35-seitigen Manuskript die Ereignisse wieder rekonstruierte. Das Tagebuch scheint nicht überlebt zu haben, jedoch das Manuskript. Ich schrieb es in diesem Dokument im Juni 2002, mehr als 8 Jahrzehnte nach den Ereignissen, die mein Vater beschreibt, ab. Der Deutlichkeit halber habe ich die Arbeit meines Vaters ganz minimal editiert, aber in jedem Detail ist dies eine genaue Abschrift...............
............................
Wir erreichten am Sonntagmorgen, dem 25. April, unser erstes Lager - Meschede in der Provinz Westfalen. Nach dem Aussteigen wurden wir aufgestellt, und ein kleiner Vortrag wurde gehalten, dass wir uns erinnern sollten, dass wir Kriegsgefangene seien und jedes Verbrechen, das wir begehen könnten, streng bestraft würde usw., usw.
Wir marschierten dann durch die Stadt, wo
wir die guten Deutschen trafen, die gerade aus der Kirche kamen und sich
natürlich sehr fromm und in ausgezeichneter Verfassung fühlten, die Engländer zu
begrüßen. Die Highlander bekamen besonders viel Aufmerksamkeit von den Damen,
die äußerst neugierig wegen der Bekleidung unserer Kilt tragenden Freunde waren.
Eine brave Dame, die einen Kameraden fragte, ob die Frauen in Schottland Hosen
trügen, bekam von ihm die Antwort, dass die meisten seiner weiblichen Verwandten
das täten, und er nähme an, dass die anderen schottischen Damen es genauso
machten. Nachdem wir die schmeichelhaften Anmerkungen der guten Leute von
Meschede für ungefähr eine halbe Stunde erduldet hatten, machten wir uns – sehr
zu unserer und besonders der Highlander Erleichterung - auf den Weg zum Lager,
ungefähr eine Meile entfernt.
Im Lager angekommen, welches größtenteils aus Franzosen und Russen zu bestehen
schien, wurden wir in Hütten gesteckt, jeder Mann bekam ein Kissen, das mit
Holzwolle gefüllt war, und eine Decke oder ein ähnliches Material, das aussah,
als ob es in einem Lumpen-Geschäft aufgesammelt worden war. Danach bekamen wir
eine Schale schwarzer Bohnensuppe, und von allen Mahlzeiten, die ich jemals
gegessen habe, genoss ich diese Schale Suppe, da sie, mit Ausnahme eines Stücks
Schwarzbrots in der Kirche von Staden, das erste war, das ich seit
Donnerstagsnachmittag gegessen hatte, und jetzt war Sonntagmorgen.
Die Deutschen weigerten sich, uns mit Löffeln auszustatten, so mussten wir die
Suppe auf die beste Art und Weise ohne Löffel hinunterschlingen, und für
ungefähr [eine Woche?] bekamen wir keinerlei Essens-Werkzeuge. Schließlich
bekamen wir sie durch die gute Dienststelle des Wach-Feldwebels, der, wie ich
sagen möchte, zu den ‚Guten‘ gehörte und der eine englische Frau hatte, die in
England lebte. Er tat wirklich alles in seiner Macht stehende, uns alles so
bequem wie möglich zu machen, obwohl nicht sehr viel in seiner Kompetenz lag;
aber er war einer der nettesten Deutschen, die ich traf.
In der ersten Woche wurden wir mit allen Beleidigungen, die die Deutsche Sprache
enthält, bezeichnet, aber nach einer Weile wurden sie müde uns zu verfluchen,
weil es anscheinend keine Wirkung auf uns hatte, und sie pflegten uns auf
mürrische Weise mit gelegentlichen Ausbrüchen des "teutonischen Hasses“
anzuschauen.
Mit fortgeschrittener Zeit betrachteten sie uns ganz selbstverständlich und
verhinderten die oben erwähnten Ausbrüche, sie behandelten uns genau so wie die
Gefangenen anderer Nationalitäten, mit Ausnahme der Russen, die mit uns die Ehre
teilten, die verhasstesten ihrer vielen Feinde zu sein.
Das Arbeitsprogramm war wie folgt: Um sechs Uhr wurde das Wecksignal geblasen, dem kurze Zeit darauf die Wärter folgten, die herein kamen und nicht gerade sanft jeden aus dem Bett wälzten, der sich zum Träumen hingezogen fühlte. Dann wurden zwei für jeweils zwanzig Mann zum Küchenbau entsandt, um „Frühstück" zu fassen, das aus schwarzem Eichelkaffee, ohne Zucker oder Milch, und aus nichts zu Essen bestand. Kurz nachdem wir diese Mischung geschluckt hatten, kamen noch mehr Wärter, und wir wurden formiert und gezählt und für verschiedene Lagerarbeiten eingeteilt.
Die Engländer machten die ganze "ermüdende" Arbeit des Lagers so weit es die
Zahlen zuließen, es gab nur hundert von uns, und die "Unteroffiziere" hatte
strenge Order, dass wir die schmutzigsten und unangenehmsten Jobs bekommen
sollten, die notwendig zu tun waren, so mussten wir meistens Toiletten und
Mülleimer leeren, um uns - so beschäftigt - davon abzuhalten, uns über die
Tatsache den Kopf zu zerbrechen, dass wir "Kriegsgefangene" waren.
Wir arbeiteten gewöhnlich bis etwa 11 Uhr 30, dann wurden wir für das Mittag-"Essen" entlassen. Dieses bestand aus Suppe, die aus schwarzen Bohnen und Kartoffeln, oder getrocknetem Fisch und Kartoffeln, oder Sauerkraut und Kartoffeln bestand, und sie spielten gewöhnlich alle Variationen dieser drei durch. Gelegentlich fanden wir einen kleinen Klumpen einer Art Fleisch; niemand bekam heraus, was es war, aber es wurde ohne zu fragen gegessen - nur zu dankbar, es zu bekommen.
Eine halbe Stunde nach dem Füllen unserer Bäuche mit dieser Brühe waren wir so
hungrig wie immer, weil sie größtenteils aus Wasser bestand; es war, wie man
sich vorstellen kann, nicht sehr befriedigend für einem hungernden Mann. Nach
dem Mittagessen wurden wir wieder für die Arbeit aufgestellt, die gewöhnlich
darin bestand, von der Bahnstation zum Lager Pakete zu transportieren, eine sehr
ermüdende Arbeit, da das Lager auf einem Hügel errichtet war, und den ganzen
Nachmittag schwitzten wir – bergauf und bergab. Wenn es keine Pakete zu
transportieren gab, trugen wir Eimer mit Wasser den Hügel hinauf und hinunter zu
den Küchenbauten, oder wir schoben schwere Schubkarren mit Lagermüll zu den
Verbrennungsstellen, die sich etwas außerhalb des Lagers befanden, bis wir vor
Schwäche fast umfielen.
Um 4:30 war die Tagesarbeit beendet, und das Abendessen wurde "serviert". Das bestand gewöhnlich aus einem Salz-Hering, absolut roh, und uns wurde nicht erlaubt, Feuer zu machen um ihn zu kochen, so musste man es lassen oder ihn roh essen. Manchmal bekamen wir ein Stück Käse, den mit Ausnahme von ganz wenigen niemand essen konnte. Jeder bekam einen kleinen hohlen Ring des angeblichen Käses, der mit einer gelben Substanz bedeckt war, deren Geruch einen Ackergaul umwerfen könnte.
An Sonntagen bekamen wir gewöhnlich ein kleines Stück grober Wurst in der Größe
eines Centstücks und ungefähr einen Zoll lang. Gelegentlich bekamen wir eine
Schüssel dünner Hafergrütze, was als großer Luxus betrachtet und von allen
erwartet wurde. Jeder von uns bekam einen halben Laib Brot, das vier Tage
vorhalten sollte und was eine Brotscheibe pro Tag bedeutete, und – um Himmels
willen - die Versuchung war groß, das ganze Stück zu essen, um mindestens eine
gute Mahlzeit zu haben. Große Selbstdisziplin war nötig, es sei denn, dass man
brotlos in die nächsten drei Tage gehen wollte.
Ich werde den Tag nie vergessen, an dem ich es schaffte, von einem Franzosen eine ganze Hälfte dieses schwarzen Kartoffelbrotes zu kaufen, und nie habe ich eine Mahlzeit wie diese genossen, weder vorher noch seitdem - das Gefühl, etwas Festes in mir zu haben. Männer, die Geld hatten, waren im Stande, Wurst, Margarine, Honig in der Kantine zu kaufen. Ich hatte ungefähr zehn Franc, die für das Essen draufgingen. Nachdem das Bargeld ausgegeben war, wurde ein lebhafter Handel getätigt, Uniformen, Stiefel usw. wurden an die Franzosen verkauft, die sie als Andenken wollten. Ich verkaufte alles, was ich hatte und lief in Lumpen herum, und sehr bald war das bei den anderen dasselbe, denn der Handel schloss eine Art Artikel ein, um die verkaufte Uniform zu ersetzen. Ein Uniformrock würde ungefähr fünf bis zehn Mark bringen und Stiefel bis zu zwanzig Mark. Ich verkaufte meinen Hut, meine Uniform, die Armbanduhr, aber ich hing an meinen Stiefeln, weil nur der Himmel wusste, wie lange es dauern würde, bevor ich ein anderes Paar bekäme.
An den Abenden hatten wir ziemlich viel Zeit für uns selbst und konnten irgendwo innerhalb des Lagergebiets wandern. Das Lager selbst war auf der Seite eines Hügels gelegen und von anderen Hügeln umgeben, sehr bewaldet, die Landschaft war wirklich schön und schien uns unsere Position - eine Art Käfig-Gefühl - mehr begreifen zu lassen.
Wir waren von einen hohen Holzzaun umgeben, ungefähr 8 Fuß hoch und natürlich
mit dem üblichen Stacheldraht obendrauf. An jeder Ecke und in der Mitte dieses
Zauns waren hohe Wachtürme gebaut, von denen aus die Wachen einen Überblick über
das gesamte Lager hatten; Wachtposten patrouillierten herum, sowohl außerhalb
als auch innerhalb dieses Zauns. Eine Batterie von Gewehren war ungefähr 150
Yards vom Lager in Position gebracht, eine Geschütz-Mannschaft war immer in
Bereitschaft - Tag und der Nacht; die Gewehrausbildung erfolgte im Lager, so
hatten sie uns im Großen und Ganzen ziemlich sicher eingesperrt.
Am Abend muss das Lager wie eine Art kosmopolitischer Ansammlung ausgesehen
haben, jede Art Uniform gab es: Russen, Kosaken, Belgier, Franzosen,
Montenegriner und ein paar wenige Briten. Wir waren - als die letzten
Ankömmlinge - mit den letzten Kriegsnachrichten der Anziehungspunkt, und jeder
Engländer war umgeben von einer großen Gruppe von Franzosen und Russen, alle mit
dem Bemühen, etwas über den Kriegshergang zu hören. Jeder, der Englisch sprechen
konnte, übersetzte, was er seinen Kameraden erzählen sollte. Ich traf einen
außerordentlich anständigen Franzosen, der Englisch sprechen konnte, und wir
freundeten und wir wurden ganz gute Kumpel. Er gab mir Unterwäsche, die ich
dringendst benötigte, weil die eine, die ich anhatte, gelinde gesagt ein wenig
„anzüglich“ wurde. Er gab mir auch etwas Tee, der mein Herz erfreute und
wirklich eine durchaus gute Sorte war.
Er schrieb seiner Schwester, die in England lebte, die sollte meiner Mutter
schreiben und ihr mitteilen, dass ich sicher war, weil die Deutschen uns
überhaupt nicht schreiben lassen würden, und es vergingen vierzehn Tage, bevor
sie uns eine Karte gaben, um unseren Leuten zu schreiben. Diese Verzögerung war
reine Boshaftigkeit, weil die Franzosen uns sagten, dass ihnen erlaubt wurde, an
dem Tag zu schreiben, als sie angekommen waren. Die erste Karte, die ich sandte,
teilte einfach mit: "ich bin ein Gefangener", na ja, die zweite war gefüllt mit
Bitten um Essen. Essen war unser Hauptgesprächsthema.
Du konntest deine Stiefel verwetten, wenn du eine Gruppe Engländer zusammen
reden sahst, das Hauptthema war ESSEN mit eine großen E, entweder beschrieb
jemand in allen Details das letzte große saftige Steak, das er gehabt hatte,
oder das letzte Weihnachtsessen. Es war einfach unmöglich, dem Thema zu
entkommen, bis wir hungriger und hungriger wurden und es schließlich nicht mehr
aushalten konnten und lossausen wollten, unsere Brot-Ration zu holen und davon
eine dünnen Scheibe abzuschneiden, um unsere ewige Sehnsucht nach Essen zu
befriedigen zu versuchen.
Ich hatte ein schreckliches Verlangen nach Süßigkeiten, ich konnte einfach nicht
genug von ihnen bekommen. Wenn ich zur Kantine hinunterginge, ein Pfund Zucker
kaufte und zurückkäme und es aufäße, würde dennoch die Begierde bleiben.
Gewöhnlich träumte ich von Ahorn-Zucker und Buchweizen-Kuchen und von dem, was
ich essen würde, wenn ich endlich meine Freiheit bekäme, aber Buchweizen-Kuchen
waren immer auf dem geplanten Menü.
Wir konnten Tabak kaufen, übel riechendes Zeug, und auch Zigarren, die mit 10
oder 15 pfgs [Pfennige] sehr preiswert und ziemlich gut waren, die Deutschen
rauchten sie den ganzen Tag, entweder diese oder ihre großen Haken-Pfeifen.
Die verschiedenen Gerüchte, die herum schwirrten, waren Legion, und sogar die
wildesten wurden eifrig besprochen. Italien war zu der Zeit noch nicht im Krieg,
und ich werde die Art angespannte Besorgnis nie vergessen, die wir alle fühlten,
auf welche Seite sie sich wohl stellen würden.
Die Deutschen verteilten gewöhnlich eine Zeitung auf Französisch, die von ihnen
in den eingenommenen französischen Provinzen gedruckt worden war und natürlich
alle guten deutschen Nachrichten veröffentlichte, aber von denen wir dennoch
eine allgemeine Idee davon bekommen konnten, wie die Dinge fortschritten, und
wir brachen in großen Jubel aus, als Italien schließlich den Krieg erklärte. Es
war nur eine Sache von Wochen, bis wir frei sein sollten.
Wir waren immer sehr optimistisch, und jemand wurde als Gewohnheits-Pessimist betrachtet, der es wagte zu behaupten, dass der Krieg sechs Monate dauern würde, ein Jahr "würde Deutschland diese Zeit nie überstehen"; wie Österreich, das absolut mit "inbegriffen" war. Wie komisch alle unsere Theorien jetzt scheinen, aber es ist ganz recht so, wir hatten sie, weil sie unseren Geist aufrechterhielten.
Wir sehnten den Tag herbei, an dem wir von zu Hause hören sollten, und ich werde
nie die erste englische Post vergessen, jeder hing geradezu an dem Mann, der die
Glücklichen aufrief, die einen Brief erhielten. Ich gehörte nicht zu den
Glücklichen, und ich fühlte mich fast bereit wegzugehen und wie ein Baby zu
heulen, wenn mein Name nicht genannt wurde. Jedoch war ich umso mehr erfreut,
ein paar Tage später ein kurzes Briefchen von Mutter zu bekommen, das gelesen,
nochmals gelesen und dann wieder gelesen wurde.
Die nächste Aufregung waren Pakete und der Neid, mit dem die glücklichen Männer
betrachtet wurden, die eins bekommen hatten. Ein Bursche besonders bekam ein
Prachtstück, es enthielt alles nur Mögliche, was mit „Essen“ zu tun hatte. Sein
Vater war ein "alter Soldat" und hatte eine ziemlich gute Vorstellung davon, was
am meisten erwünscht sein würde. Ich fürchte, eines der zehn Gebote, das einen
ermahnt, "die Güter deines Nachbarn nicht zu begehren", wurde sehr häufig,
gebrochen.
Ich erinnere mich immer an einen Kameraden - ein großer "Westländer", dessen
Name auf der Liste für ein Paket war, und der die Nacht damit verbrachte, sich
auf das "Futter" zu freuen, das er am nächsten Tag bekommen würde.
Niemand, der kein Kriegsgefangener gewesen ist, kann sich vielleicht vorstellen,
wie man sich fühlt, seinen Namen auf einer Liste für Pakete zu haben, wenn man
nahe am Verhungern ist. Nun, jedenfalls ging er hinunter, um sein Paket zu
holen, das sehr klein und an sich schon eine Enttäuschung war, aber er rechnete
sich aus, dass es Kautabak enthalten würde, öffnete es und fand ein Gebetbuch
und ein Bündel von Traktaten. Ich wünsche mir nur, die gute Dame, die das
schickte, hätte die Sprache hören können, die um diese Baracken herumschwirrten
- ein langer Schwall von Herzen kommender Gotteslästerungen; aber immerhin
reichte es selbst dem Heiligen Petrus, „sich gehen zu lassen".
Pakete und Briefe zu erhalten war unser ganzer Ehrgeiz, und Briefe, so denke
ich, kamen leicht an erster Stelle der Beliebtheit; ich weiß, dass ich mich auf
sie am meisten freute. Ich war außerordentlich niedergeschlagen, als ich hörte,
dass Tom noch „vermisst“ wurde ", aber ich gab die Hoffnung nicht auf.
Uns wurde erlaubt, jede Woche eine Karte und zweimal pro Monat einen Brief zu
schreiben, aber mehrere meiner Karten und Briefe kamen nie an. Ich entleerte
zufällig einen Papierkorb außerhalb des Büros des Kommandanten und fand einen
Brief und eine Karte aufgerissen. Das erklärte, warum viele Briefe "nie ankamen"
- das schmutzige Schwein. Wir erzählten dem Feldwebel der Wache davon, und er
versprach, Nachforschungen anzustellen, aber natürlich bekamen wir keine
Genugtuung.
Das nächste Ereignis in unserem Leben waren Impfungen. Wir wurden dreimal gegen
Typhus und dreimal gegen Cholera geimpft. Einige der Ärzte schienen ziemlich
anständige Männer zu sein, aber ein Bursche war ein total brutaler Kerl und
verursachte besondere Schmerzen, um einen möglichst bösartigen Stich zu machen
und zur gleichen Zeit zu bemerken: "Ach! Du englisches Schwein."
Die Algerier hatten einfach große Angst vor dieser Impfung und wollten sich
unter Matratzen und mit einem Sprung aus den Fenstern verstecken, um sie zu
vermeiden; sie wurden unter Matratzen und Decken hervorgezogen, unter Geschrei
und Protestieren den Ärzten gegenüber, die dachten, dass es ein großer Spaß war.
Die Algerier waren ein komischer Haufen,
gerade wie eine Menge von Kindern - gewohnt, den ganzen Tag Münzen
hochzuwerfen und untereinander zu streiten. Sie waren eine äußerst malerisch
aussehende Menge von Raufbolden
verschiedener Schattierungen und Farben, gefärbt wie leichter Kaffee bis
rabenschwarz. Die Neger unter ihnen pflegten ihr Haar bis auf einen kleinen
Haarkranz auf der Oberseite ihrer Köpfe abzurasieren, was ihnen ein äußerst
bizarres Aussehen gab. Zwei oder drei von ihnen waren mir ganz sympathisch, und
wir hatten mehrere lange Gespräche. Sie wurden schließlich in ein anderes Lager
gebracht, wo sie, wie wir hörten, aufgefordert wurden, mit den Türken zu
kämpfen, aber wir sahen sie nie wieder und bedauerten es sehr, sie gehen zu
sehen, weil sie eine endlose Unterhaltungsquelle für uns waren.
Unsere Tage waren [alle] vollkommen gleich. Ich arbeitete in verschiedenen Jobs: Mörtel mischen, Holz transportieren, Pakete vom Bahnhof holen, Kartoffeln schälen, Fässer mit Küchenabwasser leeren, bis zu einem gelegentlichen Ausflug ins Dorf, um Holz zu bekommen. Die Bewohner der Stadt belästigten uns nicht viel, die Kinder rannten hinter uns her mit der Information dass "England kaputt" sei, ihr Lieblingsausdruck.
Es gab eine Baracke im Lager, die als Kirche verwendet wurde, und Messe wurde
jeden Tag und zweimal am Sonntag gehalten, als ein deutscher Priester kam. An
Wochentagen wurde der Dienst von einem französischen Priester versehen, und ich
pflegte häufig hin zu gehen. Es schien mir sehr gut zu tun, den vertrauten
Gottesdienst zu hören, obwohl in der Baracke immer eine große Anzahl von
Deutschen mit aufgesetzten Bajonetten unter uns war.
Das nächste Ereignis in unserem Leben waren
Impfungen. Wir wurden dreimal gegen Typhus und dreimal gegen Cholera geimpft.
Einige der Ärzte schienen ziemlich anständige Männer zu sein, aber ein Bursche
war ein total brutaler Kerl und verursachte besondere Schmerzen, um einen
möglichst bösartigen Stich zu machen und zur gleichen Zeit zu bemerken "Ach! Du
englisches Schwein."
Die Algerier hatten einfach große Angst vor
dieser Impfung und wollten sich unter Matratzen und mit einem Sprung aus den
Fenstern verstecken, um sie zu vermeiden; sie wurden unter Matratzen und Decken
hervorgezogen, unter Geschrei und Protestieren den Ärzten gegenüber, die
dachten, dass es ein großer Spaß war.
Die Algerier waren ein komischer Haufen,
gerade wie eine Menge von Kindern - gewohnt, den ganzen Tag Münzen
hochzuwerfen und untereinander zu streiten. Sie waren eine äußerst malerisch
aussehende Menge von Raufbolden
verschiedener Schattierungen und Farben, gefärbt wie leichter Kaffee bis
rabenschwarz. Die Neger unter ihnen pflegten ihr Haar bis auf einen kleinen
Haarkranz auf der Oberseite ihrer Köpfe abzurasieren, was ihnen ein äußerst
bizarres Aussehen gab. Zwei oder drei von ihnen waren mir ganz sympathisch, und
wir hatten mehrere lange Gespräche. Sie wurden schließlich in ein anderes Lager
gebracht, wo sie, wie wir hörten, aufgefordert wurden, mit den Türken zu
kämpfen, aber wir sahen sie nie wieder und bedauerten es sehr, sie gehen zu
sehen, weil sie eine endlose Unterhaltungsquelle für uns waren.
Unsere Tage waren [alle] vollkommen gleich. Ich arbeitete in verschiedenen Jobs:
Mörtel mischen, Holz transportieren, Pakete vom Bahnhof holen, Kartoffeln
schälen, Fässer mit Küchenabwasser leeren, bis zu einem gelegentlichen Ausflug
ins Dorf, um Holz zu bekommen.
Die Bewohner der Stadt belästigten uns nicht viel, die Kinder rannten hinter uns
her mit der Information dass "England kaputt" sei, ihr Lieblingsausdruck.
Es gab eine Baracke im Lager, die als Kirche verwendet wurde, und Messe wurde jeden Tag und zweimal am Sonntag gehalten, wenn ein deutscher Priester kam. An Wochentagen wurde der Dienst von einem französischen Priester versehen, und ich pflegte häufig zu gehen. Es schien mir sehr gut zu tun, den vertrauten Gottesdienst zu hören, obwohl in der Baracke immer eine große Anzahl Deutscher mit aufgesetzten Bajonetten unter uns war.
Manchmal bekam ich schrecklichste Attacken von "Schwermut", aber im Großen und
Ganzen schaffte ich es, ziemlich fröhlich zu sein. Frühmorgens war es am
schlimmsten; aufzuwachen mit dem Ton des deutschen Wecksignals, das wird ewig,
denke ich, als der trostloseste und deprimierendste Ton in meinem Gedächtnis
bleiben. Sogar jetzt, wenn ich es pfeife, kann ich immer meine Gefühle äußerster
Depression der ersten wenigen Tage meiner Haft zurückrufen.
Zuerst wurde ich schrecklich fett - eine Art ungesunde schlaffe Art der Beleibtheit - und plötzlich fiel alles ins genaue Gegenteil, nur noch Haut und Knochen. Vielen anderen Burschen passierte das Gleiche.
Das folgende wichtige Ereignis war eine große Inspektion durch ein hohes Tier
der deutschen Armee, wofür wir alle in Gruppen nach unseren Berufen eingeteilt
wurden. Alle mit irgendeiner Schulbildung wurden in Gruppen mit einem Plakat
"Intellektuelle" an der Spitze eingeteilt. Es war wirklich der komischste
Anblick, die fetten Deutschen herumstolzieren zu sehen und die Männer in
verschiedenen Gruppen - "Intellektuelle" und "Unintellektuelle" -
unterzubringen, der deutsche General und sein Stab musterten uns, und der
Lagerkommandant guckte wie eine Henne mit einem Nest voller Küken.
Einige der Männer waren komische Sehenswürdigkeiten, besonders ein Kerl im 13.
Bataillon, der Armstrong genannt wurde. Er hatte seine ganze Kleidung außer
seinem Kilt verkauft, und er trug eine schäbige weiche Kappe, einen französische
Uniformrock, an dem die blauen Ärmel abgeschnitten und neue Ärmel, aus einer
alten Decke gemacht, angenäht waren, ein Paar alte Stiefel und seinen Kilt, der
zu klein für ihn war. Er war ein riesiger Kerl, auf jeden Fall war er sehr groß,
etwa 6 Fuß 3 Zoll und sehr dünn, und er sah zum Schreien aus. Tatsächlich sahen
wir alle wie eine Bande von Vogelscheuchen aus, die meisten von uns hatten alles
verkauft, was wir besaßen, um Essen zu kaufen.
Die Franzosen kamen auf die deutschen schwarzen Listen gerade zu der Zeit, als sie deutsche Kriegsgefangene zum Arbeiten nach Marokko schickten, und die Deutschen waren darüber sehr wütend. Sie schickten als Vergeltungsmaßnahme alle "Intellektuellen" der Franzosen los, um Sumpfland in Norddeutschland zu entwässern, und ich verlor zu meiner Empörung alle meine französischen Freunde und sah sie nie wieder. Sie [die Deutschen] wählten Männer aus, die nie Erfahrung mit manueller Arbeit gehabt hatten und ließen all die zurück, die der "Arbeiterklasse" angehörten, und sie gaben sorgfältig jedem "Intellektuellen" eine Extrapostkarte, um nach Hause zu schreiben und seinen Leuten zu erzählen, warum sie weggeschickt wurden.
Alle Arten von verrückten Spielen wurden gespielt - größtenteils
"Kinder"-Spiele. Eins war besonders populär. Einem Spieler wurde die Augen
verbunden, er wurde in die Mitte eines Kreises gezogen, während ein anderer Mann
mit einem eingekerbten Stock ein kratzendes Geräusch machte; es war das Ziel des
Mannes mit den verbundenen Augen, den anderen zu fangen – klingt ein bisschen
albern, aber es brachte Unterhaltung ohne Ende, und es zog mit Sicherheit eine
Menge Zuschauer an.
Der Exerzierplatz war echt eine Sehenswürdigkeit, fast jede Art von Uniform gab es da, und es war schon ziemlich komisch, z.B. einen Russen und einen Engländer zu sehen, keiner fähig ein Wort der Sprache des anderen zu sprechen, aber bestrebt, einander durch Zeichen und einer Mischung aller Sprachen zu verstehen. Mein französischer Kamerad und ich pflegten zusammen spazieren zu gehen und jedes Thema auf dem Globus zu besprechen, aber wir kamen fast immer auf das eine Thema zurück, den Krieg, und wann er zu Ende sein würde. Ich war ziemlich traurig, als er in ein anderes Lager versetzt wurde.
Ungefähr im Juli 1915 bekamen wir plötzlich Befehl, mit Sack und Pack
umzuziehen, nicht sehr viel in meinem Fall. Ich war im Stande, alles, was ich in
der Welt besaß, in einer kleinen Keks-Dose mitzunehmen. Der Umzug wurde mit eher
gemischten Gefühlen aufgenommen. Wir hatten uns auf gewisse Art an das Lager
gewöhnt und freuten uns nicht darauf, in ein anderes zu kommen, das schlimmer
sein konnte, aber andererseits brach es die schreckliche Monotonie. Irgendwie
bewegten wir uns, marschierten runter zum Bahnhof und stiegen in 4.
Klasse-Wagen. Das Land sah hübsch aus, Westfalen ist sicher ein schöner Platz,
so weit es die Landschaft betrifft. Ich genoss die Eisenbahnreise
uneingeschränkt. Wir kamen ohne Abenteuer in Giessen an, einer sehr großen
Stadt. Wir mussten durch die Stadt zum Lager gehen, das ungefähr zwei Meilen
außerhalb lag. Die Leute belästigten uns überhaupt nicht, außer dass sie uns
anstarrten, und das waren wir gewohnt. ...................
........................
Wer die Geschichte weiter oder im Original lesen will, kann das hier - allerdings auf Englisch.
M. Charrier ('Notre Evasion d’Allemagne') Auszug
[Folgende Übersetzung: H.-P. Grumpe]
In Gefangenschaft in Deutschland.......
....... Gegen neun Uhr Abends werden wir in
Viehwagen verladen. Der Zug fährt um Mitternacht, geht über Namur, Lüttich,
Aachen und bleibt in Köln stehen. Die Reise hat fünfundzwanzig Stunden gedauert.
Während dieser Strecke bestand unsere Nahrung aus einer Schale gerösteter Gerste
und aus einem Brocken Schwarzbrot.
Eine Stunde nach der Abfahrt von Köln wirft ein gewaltiger Ruck uns allesamt mit
dem Waggon aufeinander. Es ist ein Zusammenstoß mit einem anderen Zug...
Gott sei Dank haben wir nur einige Quetschungen! Wir setzen unseren Weg fort und
steigen in Meschede, Westfalen, am 23. Dezember um drei Uhr Abends, nach
achtundvierzig Stunden Reise, aus.
Ich bin also also Gefangener! Zumindest lebe ich! Wie konnte ich, sogar ohne
eine Verletzung, so zahlreiche und ernste Gefahren wohlbehalten überstehen?...
Ein Geheimnis!...
Mein Vertrauen auf die Vorsehung wird gesteigert; sie bleibt meine beste
Hoffnung zu dieser Zeit oder wenn sich schlechte Tage wieder anbahnen...
Kapitel II
In Gefangenschaft
Meschede liegt am Zusammenfluss von Henne und Ruhr. Es ist eine kleine
hübsche Stadt, viertausend Einwohner, umgeben von Tannenwäldern. Obwohl sie vor
Nordwinden geschützt ist, war die Temperatur dort während unseres Aufenthalts
jedoch sehr kalt; Schnee lag dreißig bis vierzig Zentimeter hoch. Die Kälte
erreichte fünfzehn bis zwanzig Grad unter Null.
Das Gefangenenlager
Das Gefangenenlager liegt auf einem die Stadt beherrschenden Hügel. Es ist
ein rechteckiger Platz: Zwei Barackenlager aus Brettern, jedes für einhundert
Gefangene, verschiedene Gebäude werden als Vorratsräume, Küchen,
Quarantänestation und als Wohnung für Wärter, Soldaten und Offiziere, die mit
der Bewachung des Lagers betraut sind, verwendet. Rundherum (sind) mehrere
Reihen Stacheldraht, sehr dicht und sehr hoch.
Dann fing für uns ein Leben tiefen Elends an. Unsere Hemden waren Lumpen, unsere
Schuhe waren durchlöchert oder hatten keine Sohlen. Ich hatte nur eine Hose aus
Drillich.
Nahrung war unzureichend und scheußlich. Brot war eine Agglomerat aus
Gemüseabfällen, Kartoffelschalen, Schrot, Gerste, Mais, durch Holzsägemehl
gewürzt!... Schweine hätten das nicht gemocht!
Kaffee setzte sich aus Gerste und gerösteten Eicheln zusammen. Zucker war nur
ein abscheulicher Aufguss aus Tierknochen.
Die Ration war sehr kärglich. Am Morgen ein winziger Blechnapf mit koffi
(Kaffee). Mittags ein Essgeschirr mit einer unsäglichen Brühe. Im Abend, eine
Scheibe Käse oder scheußlicher Wurst ungefähr so groß wie ein fünf Franc Stück.
Hygiene war unbekannt; jede Sauberkeit war unmöglich. Ein Liter Wasser wurde uns
für drei Tage verteilt. Er stillte kaum unseren Durst und machte es uns erst
recht unmöglich, auch noch unsere Unterwäsche zu waschen, die Einzige, die wir
hatten.
Die Latrinen waren auch jämmerlich. Sie bestanden aus einem ein Meter tiefen und
ein Meter breiten Graben, der von einem Brett versperrt wurde. Nach einigen
Tagen waren sie eine riesengroße Kloake, ein ekelhafter Abgrund, Erzeuger von
Würmern und Läusen. Bald überfiel das Ungeziefer unsere Strohsäcke, Decken und
Kleidung.
Eines Abends waren Zouaven (Algerier) in die Baracke, die als Brotlager diente,
eingebrochen; acht Mal nacheinander begingen sie dieselbe Schlemmerei. Eines
Nachts entdeckte sie ein Wachtposten und schoss auf sie: Zwei wurden schwer
verletzt.
Während einhundertacht Tagen waren unsere Verluste besonders groß. Wir mussten
uns mit Steckrüben-Schalen, Gräten und den fettigen Resten der von den Wächtern
weggeworfenen Konservendosen ernähren... Daher waren wir in einem großen
Schwächezustand .
Trotzdem zwang man uns, Steine aus einem an der Seite einer Anhöhe gelegenen
Steinbruch zu fördern und sie in Schubkarren bis zum Lager zu rollen. Der
Aufstieg war hart und der Weg, der bald zugrunde gerichtet war, wurde
unpassierbar. Das war eine Arbeit von Galeerensträflingen (Zwangsarbeitern).
Bestimmte Gefangene, die nicht mehr konnten, wurden mit Gewehrkolben geschlagen
oder mit Bajonetten gestochen. Viele von uns wurden auch wegen Entkräftung zum
Krankenhaus und bald ....zum Friedhof gebracht.
Der Friedhof von Meschede bezeugt eine große Zahl von französischen Soldaten,
die von Ende 1914 bis März 1915 gestorbenen sind
In der Fabrik von Kreustat (ich konnte keinen Ort mit
diesem Namen finden; vielleicht Kreuztal?)
Mitte März kommt ein deutscher Offizier und schlägt den Überlebenden vor, in
Bauernhöfen oder in verschiedenen Unternehmen zu arbeiten. Wir stimmen fast alle
zu, in der Hoffnung ein besseres Los zu erhalten und mehr Fluchtchancen zu
bekommen.
Eines Morgens fahren wir mit dem Zug los, und am Nachmittag steigen wir in
Kreustat aus, einer wichtigen Industrie-Stadt Westfalens. Wir werden zu einem
Vorort nahe eines Hüttenwerkes und einer mit zwei hohen Schmelzöfen
ausgestatteten Gießerei geleitet.
Hier ist unser Los besser. Wir werden in einem in zwei Teile geteilten
Barackenlager beherbergt. Eins dient als Schlafsaal, wo aufgestapelte Matratzen
drei Etagen bilden; das anderer wird als Küche und Speisesaal benutzt.
Mit Rücksicht auf unsere Schwäche geben unsere Wächter uns drei Ruhetage und
gehaltvolle Nahrung. Am vierten Tag beginnen wir als Erdarbeiter. Die Nahrung
wurde dann eingeschränkt; sie blieb jedoch besser als im Lager. Aber wir sollten
hart arbeiten und die schlimmsten Behandlungen noch erleiden: Beleidigungen,
Schläge mit Gewehrkolben, Stiche mit Bajonetten. Dennoch, fanden wir einigen
Ausgleich: Wir bekamen Briefe und Pakete aus der Heimat.
Die fixe Idee zur Flucht
Jedoch ließ uns die Flucht-Idee keine Ruhe. Ich selbst hielt sie für unmöglich,
da ich weder Karte, Kompass noch Geld hatte.
Eines Nachts werden vier Kameraden in Versuchung geführt, durch eine mit Hilfe
einer Säge hergestellten Öffnung aus der Baracke auszubrechen. Am nächsten
Morgen, beim Appell, wird die Flucht bekannt. Dann großes Durcheinander in der
Fabrik. Wir alle werden eingeschlossen und angehalten zu sagen, wie es zu dieser
Flucht gekommen ist. Niemand sagt auch nur ein Wort; acht Tage lang waren wir
strengen Repressalien ausgesetzt. Was die Ausgebrochenen betrifft, sie wurden
bald wieder eingefangen und bezahlten teuer ihr Ausbüxen.
Rückkehr nach Meschede
Einige Wochen danach missglückten auch zwei neue Fluchtversuche; sie brachten
uns neue Härten ein. Das Schlimmste war allerdings, ins Lager von Meschede
zurückzukehren.
Wie groß war unsere Verblüffung bei der Ankunft! Eine Verwandlung! Eine
Hauptstraße, Queralleen mit Zement-Bürgersteigen waren gebaut worden.
Wasserversorgung mit Hähnen und Trinkbrunnen, Duschräume, Wasserkessel für die
Wäsche sind installiert, sowie weitgehend saubere „Toiletten“. Neue, geräumige
und aneinander gereihte Baracken bieten einen gewissen Komfort. Die Lazarett ist
aus sechs großen Baracken zusammengesetzt. Eine Kapelle aus Brettern erhebt sich
in der Mitte.
Warum so viele Änderungen? Bestimmt, um ausländische Kommissionen, die
beauftragt sind, die Gefangenen zu besuchen, zu beeindrucken.
Die Bewachung des Lagers war gewaltig organisiert. Man hatte rundherum einen
mächtigen Schutzzaun errichtet. Zuerst ein großer vier Meter hoher Holzzaun, der
einen Rundgang bildete, dazu eine weitere drei Meter hohe
Stacheldraht-Umzäunung. An vier Ecken des Lagers und höher als der Zaun erhoben
sich mehr als acht Meter hohe Wachtürme, auf denen Posten wachten. Auf Anhöhen
rings ums Lager und auch in der Landschaft wurden gut zu sehen einundsiebziger
Feldhaubitzen aufgestellt; starke Elektrolampen erleuchteten in der Nacht das
Lager und die Umgebung.
Jede Flucht schien so unmöglich zu sein. Dennoch hatten wir ein dermaßiges
Verlangen, dass wir mehrere unterirdische Gänge unter den Brettern der Baracken
gruben. Viele waren weit vorgeschritten und reichten sogar weiter als der
Bretterzaun, aber keiner konnte zu Ende geführt werden, die Deutschen waren
immer rechtzeitig informiert.
In verschiedenen Kommandos
Ich verließ das Lager, weil ich zu verschiedenen Kommandos oder kleinen
Arbeitskommandos abgeordnet wurde. Ich blieb da nur kurze Zeit. Man ließ uns im
Wald arbeiten, um daraus Pfähle für die Gräben, Stiele für Schaufeln oder Hacken
zu machen. Für nichts in der Welt wollte ich gegen mein Vaterland arbeiten. Ich
meldete mich dann krank. Aber einmal funktionierte meine List nicht, und ich
wurde zu einem „Strafkommando“ geschickt, das für widerspenstige Rebellen
geschaffen ist. Ich arbeitete da nur mit Hilfe von Kolbenschlägen oder
Bajonetten. Ich arbeitete dann mit einem Freund ein Fluchtprojekt aus. Aber
vierhundert Kilometer von der schweizerischen Grenze waren wir vielleicht klug,
indem wir davon abließen.
Bei einer Inspektion wurde ich von einem General bemerkt. Er ließ mich reden:
Ich berichtete ihm alle Misshandlungen, denen ich ausgesetzt war. Er ließ mich
ins Lager von Meschede zurückbringen, wo ich noch mehr an meine Flucht dachte.
Dafür brauchte ich eine Karte, einen Kompass, Lebensmittel für fünfzehn Tage und
eine Möglichkeit, die Kette von Wachposten und Stacheldrähten, die das Lager
einschlossen, zu durchdringen.
Marsberg
Es kam ein Tag, an dem ich die Umstände für günstiger hielt. Ich war kaserniert
im Kommando Marsberg. Ein Kamerad, von der Front gekommen, verkaufte mir für
sechs Mark einen Kompass, eine Karte und ein Paar kleiner Ferngläser. Ich hatte
es außerdem geschafft, mehrere Packungen Kekse, Konserven und Schokolade, die
von meiner Familie geschickt wurden, anzusammeln.
Fünf meiner Freunde und ich werden von einem Unternehmer beschäftigt, der uns zu
Zimmermann- und Tischlerarbeiten zuteilt. Wir essen und schlafen in seinem Haus.
Unsere Wohnung befindet sich in der Innenstadt von Marsberg............
Eine deutsche Übersetzung des gesamten Berichts findet man
hier. Leider ist er in der Originalsprache
nicht mehr online, es gibt aber eine Buchpublikation.